"Rachsüchtig", "berechnend", "idiotisch": Die brisanten Enthüllungen über die britische Königsfamilie in Prinz Harrys Autobiografie bringen Medien und Kommentatoren im Vereinigten Königreich zum Schäumen. Offiziell sollte sein Buch "Spare" (Reserve) am Dienstag veröffentlicht werden, doch nachdem es bereits am Donnerstag versehentlich kurzzeitig in Spanien in den Buchhandel gekommen war, geraten immer neue Details ans Licht.
Diese lassen die Royals in keinem guten Licht erscheinen – den Autor eingeschlossen. "Niemand wird bei Harrys brutaler Solomission, die Familie zu zerstören, verschont", titelt die Boulevard-Zeitung "The Daily Mirror". "The Sun" schreibt, nichts könne die rachsüchtige Entscheidung des 38-Jährigen rechtfertigen, "seine eigene Familie für Millionen von Dollar vor den Bus" zu stoßen.
"Nachdem er die idiotische Entscheidung getroffen hatte, mit seinem Zerwürfnis mit der Königsfamilie an die Öffentlichkeit zu gehen, stand Harry zweifellos unter enormem Druck (...), so viel Gift wie möglich zu speien", urteilt der Schriftsteller A.N. Wilson. Die Veröffentlichung der von einem Ghostwriter geschriebenen 500 Seiten starken Memoiren bezeichnet er als feindselig und niederträchtig. Gaby Hinsliff vom "Guardian" wirft Harry vor, in aller Öffentlichkeit "schmutzige Wäsche" zu waschen.
Die ungefilterte Flut an persönlichen Geheimnissen, die Harry preisgibt, stellt alle bisherigen Vorwürfe des Prinzen und seiner Frau Meghan in den Schatten. Dabei macht der 38-Jährige auch vor sich selbst nicht halt – berichtet über seinen Kokain-Konsum sowie, dass er eine Frau konsultiert habe, die ihm spirituellen Kontakt zu seiner verstorbenen Mutter Diana ermöglicht haben soll.
Mit der Behauptung, während seines Militäreinsatzes gegen die radikalislamischen Taliban in Afghanistan 25 Menschen getötet zu haben, die er mit "Schachfiguren" verglich, verärgerte Harry nun auch britische Veteranen – und die Taliban. Der pensionierte Oberst Tim Collins, der 2003 ein britisches Bataillon im Irak führte, erklärte, "so verhält man sich in der Armee nicht, so denken wir nicht". Er warf Harry vor, sich gegen seine "andere Familie" zu wenden, "das Militär", nachdem er seine eigentliche Familie "weggeworfen" habe. Der hochrangige Taliban Anas Hakkani erklärte seinerseits auf Twitter: "Mr Harry! Diejenigen, die Sie getötet haben, waren keine Schachfiguren, sie waren Menschen; sie hatten Familien, die auf ihre Rückkehr warteten."
Für den Experten des britischen Königshauses, Richard Fitzwilliams, sind die Vorwürfe Harrys gegen seinen älteren Bruder William, der ihn 2019 in einem heftigen Streit über Meghan zu Boden geworfen haben soll, am schlimmsten: Der Thronfolger werde dargestellt als "jemand, der sein Vertrauen missbraucht hat (...) Jemand, der ihn tatsächlich angegriffen hat". Das sei "kein sehr schmeichelhaftes Bild für einen zukünftigen König".
Nach Einschätzung des Verfassungsexperten Craig Prescott hat noch nie ein Mitglied der Royals die Institution derart öffentlich angegriffen. Sollten die Angriffe andauern, könnte sich das Bild der Briten von ihrer Monarchie ins Negative wandeln, warnte Prescott.
Bisher reagiert der Buckingham-Palast offiziell mit Schweigen auf die Enthüllungen. "The Sun" zitierte lediglich Quellen aus dem Umfeld von König Charles III. und William, wonach der Inhalt des Buchs sie "traurig" gestimmt habe.
Im Kurzbotschaftendienst Twitter erscheint unterdessen immer häufiger der Hashtag #ShutUpHarry – was soviel heißt wie: "Halt die Klappe, Harry".