Über Wochen bebte fast ohne Unterlass die Erde - und nun ist auf einer Halbinsel im Südwesten Islands ein Vulkansystem spektakulär ausgebrochen. Der heiße Kandidat Fagradalsfjall ist ungefähr als "Wa-gra-dals-fjatl" (mit Betonung auf dem ersten "A") auszusprechen und sorgt für faszinierende Bilder (siehe Fotoserie unten).
Auf Aufnahmen ist zu sehen, wie sich viele Menschen vor Ort anschauen, wie Lavafontänen aus einem Hunderte Meter langen Riss in der Erde immer wieder in die Höhe schnellen. Die Isländer, seit Februar 2020 pandemiebedingt ohne Touristen, bleiben gelassen: Vielleicht ist es das Bewusstsein der kleinen Nation mit ihren rund 360.000 Einwohnern, dass es die Insel, auf der sie inmitten des Nordatlantiks leben, ohne Vulkane gar nicht gäbe.
Auf Island gibt es ungefähr 130 aktive und inaktive Vulkane. Klar ist für Geologen, dass die aktuell an die Erdoberfläche tretende Lava von einem unterirdischen vulkanischen System namens Krysuvík stammt. Jón Frímann, ein isländischer Geologe, der sich seit Jahrzehnten mit Vulkanen beschäftigt, gibt im Interview seine Einschätzung: Verglichen mit bereits erlebten Vulkanausbrüchen sei der aktuelle "winzig", zumindest aus derzeitiger Sicht sei das immerhin nur 30 Kilometer entfernte Reykjavík nicht in Gefahr, wie Elin Björk Jónasdóttir von Meteorologischen Institut Islands (IMO) meint.
Schwierig sei Prognosen, wie lange und wie heftig der Fagradalsfjall toben wird: Der Montag war der dritte eruptive Tag, laut Frímann könnte es aber noch gut ein oder zwei Wochen so weiter gehen. Es ist die Chronik eines angekündigten Ausbruchs: Bereits seit Wochen waren stärkere seismologische Aktivitäten registriert worden, bis es am 24. Februar zu einem Erdbeben der Stärke 5,7 auf der Richter-Skala gekommen war. "Derzeit sieht es nicht danach aus, dass sich der Fagradalsfjall so schnell beruhigt. Aber wir werden sehen, was kommt", so Frímann.
Was die Landsleute, die in relativ unmittelbarer Nähe das Spektakel betrachten, zeigt sich der Experte mittelgradig beunruhigt: "Ich finde das schon ein klein wenig riskant, zumal eine neue starke Eruption immer möglich ist - und man nicht weiß, was sich noch tut. Erst am Wochenende kollabierte ja der Hauptkrater und gab Ströme von Lava frei. Zudem wurde viel Inflation festgestellt - darunter versteht man das Eindringen von Fluiden (Magma, Gas, Wasser) in einen Magmenkörper. Der Vulkan über dem Magmenkörper bläht sich auf, wodurch seine Hänge steiler werden", sagt Frímann. Man komme an sich ungehindert zum Vulkan, allerdings bedeute der Weg dorthin einen ordentlichen Fußmarsch, der nur mit entsprechender Ausrüstung zu schaffen sein, so Frímann. Derzeit seien dort immer mehr Drohnen unterwegs - sie liefern aufsehenerregende Videos von Überflügen.
Bemerkenswert ist der Ausbruch nicht zuletzt deshalb, weil es seit etwa 800 Jahren keine Eruption mehr auf der Reykjanes-Halbinsel gegeben hat, wie Geophysiker Magnús Tumi Gudmundsson bestätigt. Eben diese Halbinsel ist bei Touristen wohlbekannt für das beliebte Thermalbad "Blaue Lagune" und Islands Hauptflughafen Keflavík, auf dem in der Zeit vor Corona jedes Jahr Millionen Menschen ankamen.
Dem Rest der Welt sind Islands Vulkane spätestens seit dem Frühling 2010 ein Begriff: Damals legte die kilometerhohe Aschewolke aus dem Eyjafjallajökull (in etwa "Ai-ja-fjah-dla-jo-kudl" ausgesprochen) den internationalen Luftverkehr über Tage ins Chaos. "Das wird dieses Mal ausbleiben", ist sich Frímann sicher. Aschewolken seien vor allem dann zu erwarten, wenn es zu vulkanischer Aktivität am Meeresboden kommt.
Eine offizielle Einschätzung gibt es indes auch von Islands Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir: Sie ersucht zwar, sich aus der unmittelbaren Umgebung der Eruption fernzuhalten, lässt aber auch wissen: "Diese Art von Ausbruch an einem Ort wie diesem verursacht in Island keine Sorge." Keine Gefühlsausbrüche also.