Es war im November des vergangenen Jahres. Der Scirocco-Wind war besonders stark. Das Hochwasser in Venedig stieg innerhalb einer Nacht auf fast 1,90 Meter. Die komplette Altstadt lag unter Wasser. Wieder einmal gingen Bilder der überschwemmten Stadt um die Welt. Die Rede war von Schäden in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro. Damals machte ein Wort in Venedig die Runde, meist von zuckenden Achseln oder sarkastischem Lächeln begleitet: Mose.

Seit 30 Jahren ist die Rede vom Sturmflutsperrwerk an der Lagune von Venedig, das jüngst erstmals getestet wurde. Die Schutzwände sollen verhindern, dass Venedig im Hochwasser versinkt. Diese nehmen seit Jahrzehnten zu und drohen die Stadt, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, unwiederbringlich zu zerstören.

Seit 30 Jahren ist die Rede vom Sturmflutsperrwerk an der Lagune von Venedig
Seit 30 Jahren ist die Rede vom Sturmflutsperrwerk an der Lagune von Venedig © AP/Claudio Furlan



Premierminister Giuseppe Conte reiste mit einigen Ministern zum Testlauf an. Der Gouverneur des Veneto war da, natürlich Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro. Conte durfte die Enter-Taste auf einem Laptop zur Aktivierung des ersten Tests der Wasserbarriere drücken. "Wir müssen verhindern, dass das Hochwasser dieses wunderbare Erbe zerstört", sagte der Premier. Die Regierung feierte den Testlauf als Erfolg. Doch ob das Mose-Projekt wirklich seinen Sinn erfüllen wird, daran gibt es Zweifel.



2003 begannen dann die Bauarbeiten, damals war Silvio Berlusconi Ministerpräsident. 2016 sollte die mechanische Staumauer fertiggestellt werden. Zwei Jahre zuvor erschütterte ein Korruptionsskandal die Arbeiten. Statt der ursprünglich geplanten zwei Milliarden Euro werden sich die Kosten wohl insgesamt auf rund sieben Milliarden Euro belaufen. Das Projekt soll erst Ende 2021 komplett fertig sein.

Mose besteht aus 78 gelb lackierten Barrieren aus Stahl. Sie liegen an den drei Laguneneinfahrten (Chioggia, Lido, Malamocco) unter Wasser und sollen bei Hochwasser binnen 30 Minuten hochgefahren werden. Beim Testlauf dauerte es eine Stunde und 37 Minuten, bis sich die Module in der gewünschten Position befanden. Sechs der 78 Barrieren konnten dann nicht wieder eingefahren werden, da Sand in die Unterwasserböden schwemmte, der zunächst von Robotern abgesaugt werden musste. "Wir haben ein Problem, das wir lösen müssen", so Projektplaner Alberto Scotti.

Tommaso Cacciari spart mit Gleichgesinnten vom "No Mose"-Komitee, Umweltschützern und "Fridays for Futures"- Aktivisten nicht mit Kritik: "Wer Venedig liebt, weiß, dass Mose ein Mülleimer ist. Milliarden an öffentlichen Geldern wurden verschwendet und wirklich wichtigen Investitionen für die Bewohner und die Lagune vorenthalten. Es gibt nichts zu feiern", sagte Cacciari.

Die Mose-Kritiker weisen auf die hohen Kosten und Korruption hin, auf das fragile Ökosystem der Lagune, das vor allem durch tiefe Schifffahrtskanäle beeinträchtigt sei, sowie die hohen Wartungs- und Instandhaltungskosten, die die lokalen Behörden zu tragen haben. Außerdem gibt es Zweifel, ob das Flutsperrwerk überhaupt hoch genug sein wird für Hochwasser. Das wird sich bald zeigen.