40 Stockwerke aus Massivholz – 180 Meter hoch – mit einer Fassade aus Glas und Stahl, mit versetzten Gärten in luftiger Höhe: In Sydney soll ein Meisterwerk der modernen Architektur entstehen.
Der neue hölzerne Turm, der das Herzstück eines geplanten Technologiezentrums bildet, wird dem südlichen Ende der Innenstadt Sydneys ein neues Gesicht verleihen. Er wird die Zentrale der australischen Softwareschmiede Atlassian beherbergen. Rund 4000 Mitarbeiter müssen untergebracht werden, auf den unteren Ebenen soll zudem eine Jugendherberge einziehen.
Höchster Holztower
Laut Atlassian wird der Büroturm das höchste „kommerzielle Hybridholz“-Gebäude der Welt werden. Mehr als eine Milliarde australische Dollar, umgerechnet über 600 Millionen Euro, will das IT-Unternehmen investieren.
Hinter dem gerade mal 18 Jahre alten Startup Atlassian, das an der New Yorker Börse gelistet ist, stehen Mike Cannon-Brookes und Scott Farquhar. Sie gehören mit 40 zu den Highflyern Sydneys, die dank ihres Erfolgs mit Atlassian selbst jeder über zwölf Milliarden US-Dollar in der Tasche haben. Vor allem Cannon-Brookes mischt à la Tesla-Chef Elon Musk gerne bei allem mit. Derzeit hält der Gründer beispielsweise mit seiner Meinung, wie das Coronavirus am besten gehandhabt wird, nicht hinterm Berg. Auch beim Thema Klimaschutz ist er engagiert. „Die Welt ist hier, um ein brennendes Problem anzugehen“, sagte der Australier einst. „Wir wissen, dass wir unseren Beitrag leisten müssen, um unseren Effekt auf den Planeten zu verringern. Wenn wir das nicht tun, werden wir gekocht.“
Deswegen haben sich Cannon-Brookes und Farquhar verpflichtet, Atlassians Nettoemissionen bis 2050 auf Null zu senken. So verwundert es auch nicht, dass die beiden Tech-Stars mit ihrem neuen Büroturm ein Zeichen für den Klimaschutz setzen und besonders nachhaltig bauen wollen. Trotz Klimawandel und Coronakrise liegt den Atlassian-Gründern ein gemeinsames Büro aber nach wie vor am Herzen. „Bürogebäude müssen Orte sein, die ihre Mitarbeiter einladen, ihre beste Leistung abzurufen“, sagte Cannon-Brookes, als er die neue Zentrale der Presse vorstellte. Sie seien quasi eine „Reklame“, auch für neue Mitarbeiter.
Der Entwurf des Holzturms, dessen Bau im kommenden Jahr beginnen soll, stammt von den New Yorker Architekten SHoP (Sharples Holden and Pasquarelli). Sie arbeiten bei der Gestaltung des Turms mit der australischen Firma BVN zusammen, die schon viel Erfahrung beim Bau von Holzgebäuden gesammelt hat. Das neue Hochhaus soll zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben werden und verfügt über Sonnenkollektoren in seiner Fassade. Anstatt großer Mengen an Beton und Stahl kommt Brettsperrholz zum Einsatz.
Brettsperrholz ist als Baumaterial für einen deutlich geringeren Ausstoß an Kohlendioxid verantwortlich als beispielsweise Beton. Beim Produktionsprozess entsteht keinerlei Müll und das Holz wird von zertifiziert nachhaltig bewirtschafteten Wäldern bezogen. Laut einer Studie der australischen Umweltstiftung PlanetArk soll es zudem gut für die Gesundheit sein, sich in einem Holzhaus aufzuhalten, der Baustoff soll Blutdruck und Herzfrequenz senken. Die Baubestimmungen in Australien erlauben seit einigen Jahren bereits höhere Holzbauten. Um der Feuergefahr vorzubeugen, müssen aber Sprinkleranlagen und feuerfeste Verkleidungen angebracht werden. Ist das Holz freigelegt, so muss es dick genug sein, damit es nicht leicht Feuer fangen kann.
Der hölzerne Turm setzt aber nicht nur ein Zeichen für die Nachhaltigkeit. Er wird auch das Stadtbild Sydneys am südlichen Ende der Innenstadt neu prägen. Dort ist – nachdem die Gegend über Jahre hinweg stiefmütterlich behandelt worden war – in der jüngeren Vergangenheit eine eklektische Ansammlung moderner Architektur entstanden. Norman Foster, Jean Nouvel und Frank Gehry haben ihre Spuren hinterlassen: Für Gehrys Universitätsgebäude, das die Einheimischen gerne als „Papiertüte“ bezeichnen, wurden 320.000 Ziegelsteine per Hand verlegt, um den gewünschten, abgerundeten Effekt zu erreichen, der dem Gebäude etwas Groteskes gibt und in Teilen an die Fantasien eines Hundertwassers erinnert.
Nicht weit entfernt steht auch das Kunstwerk des französischen Architekten Jean Nouvel – ein preisgekröntes Apartmenthaus, das aus zwei Türmen besteht, die einem dank einer vertikal begrünten Hochhaus-Wand sowie einer monumentalen Auskragung bereits aus der Ferne ins Auge stechen. Der hölzerne Turm der Software-Milliardäre ist somit in bester Gesellschaft.