Den Mensch drängt es – nicht zuletzt auch in die Ferne. Der erste Aufenthalt auf dem Mars rückt näher – und auch eine bemannte Rückkehr zu unserem Erdenmond scheint in Griffweite. Die großen Fragen, die sich für solche Außenposten stellen: Wie kann Homo Sapiens auf diesen Himmelskörpern überleben, wie möglichst zweckmäßig arbeiten und menschenwürdig wohnen – ohne dass seine Psyche Schaden nimmt?

Die Deutsche Christiane Heinicke machte sich eben darüber intensive Gedanken. In zweijähriger Arbeit entwickelte die Geophysikerin vom Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen mit Kollegen ein aus sechs Modulen bestehendes Habitat, das für den Einsatz auf Mond oder Mars konzipiert ist. "Moon and Mars Base Analog" (MaMBA) heißt diese Konstruktion. Minus 160 bis plus 130 Grad Celsius auf dem Erdtrabanten, minus 55 Grad Celsius als Durchschnittstemperatur auf dem Roten Planeten. Dazu Vakuum auf dem Mond und weniger als 0,01 bar auf der Marsoberfläche – nein, heimelig kann man das Lebensumfeld da wie dort nicht nennen.

Das aus sechs Modulen bestehendes Habitat - hier die Variante als Labormodul
Das aus sechs Modulen bestehendes Habitat - hier die Variante als Labormodul © (c) ZARM

Heinickes Ansatz: sicher überleben, aber auch ein wenig schöner wohnen. Sie war als einzige Deutsche von der Nasa für ein Projekt auf Hawaii ausgewählt worden, das ein Jahr lang das Leben auf dem Mars minutiös simulierte. Es geht auch um mentale Herausforderungen, wie sie im Interview erklärt: "Die psychische Belastung ist enorm. Zum einen ist man vom Rest der Menschheit isoliert – gleichzeitig lebt man mit den gleichen wenigen Menschen auf engem Raum. Keine Pause, kein Urlaub. Wenn es Streit gibt, muss man ihn so bald wie möglich beilegen und eine Lösung, einen Kompromiss finden. Sonst können kleine Meinungsverschiedenheiten in großen Zerwürfnissen eskalieren."

Die promovierte Geophysikerin Christiane Heinicke
Die promovierte Geophysikerin Christiane Heinicke © (c) ZARM

In dem sieben Meter hohen Zylinder sind auf 26 m² (15 im Erdgeschoss, 11 im Obergeschoss) Schlafbereich, Küche, Freizeitnische sowie Labor, Werkstatt und Gewächshaus untergebracht. Eine gestalterische Herausforderung, wie sie im Interview erklärt: "Ein Habitat auf dem Mond oder auf dem Mars muss den Bewohnern nicht nur das Überleben sichern. Es ist absolut notwendig, Lebenszellen nicht nur technisch funktionsfähig, sondern auch ansprechend zu gestalten. Gelingt es nicht, dass die Crew sich einigermaßen wohlfühlt, kann das zu massiven psychischen Problemen führen." Man habe daher neben Ingenieuren auch Architekten mitarbeiten lassen. Jedes Detail muss durchdacht und erprobt werden, selbst eine fehlerhafte Steckdose kann zur Katastrophe führen.

Was ist nun neu am MaMBA? Heinicke erklärt: "Es gibt weltweit eine Reihe von Habitaten, die allerdings primär für Simulationen gebaut wurden. Sie wurden nie dafür vorgesehen, als Prototyp für ein echte Behausung zu dienen, höchstens, um einige technische Komponenten zu testen. Wir sind die ersten, deren Anspruch es ist, das Modul so zu gestalten, dass es alle Ansprüche erfüllt. Zudem entwerfen wir nicht nur, sondern bauen und testen auch." Alle Einheiten sollen in einem Art Hangar stehen, die sie durch eine meterdicke Betonaußenwand vor Weltraumstrahlung und Sonnenstürmen schützt.

Das MaMBA-Modul als Schnittzeichnung
Das MaMBA-Modul als Schnittzeichnung © (c) ZARM



Die Kosten? "Die Materialkosten für das Ansichtsmodell liegen im unteren sechsstelligen Bereich – für das reale Modul wird es deutlich mehr. Das Schauexemplar besteht vor allem aus Gipsbeton und Holz, in der Praxis könnte die Außenhülle aus Aluminium oder aus leichten Verbundwerkstoffen gefertigt sein. Neben Materialaufwand fallen Entwicklungskosten an, etwa für das Lebenserhaltungssystem."

Ressourcenaufbereitung ist bei dem von der Klaus Tschira Stiftung mit 380.000 Euro geförderten Projekt elementar. Heinickes Team setzt etwa auf Blaualgen zur Sauerstoffproduktion. Wie weit der lebensnotwendige Recycling-Gedanke geht, zeigt die Internationale Raumstation (ISS): Dort, 408 km über der Erde, wird Astronauten-Urin mit Filtersystemen so aufbereitet, dass es als sauberes Wasser ins Versorgungssystem zurückgeführt kann. Der Kaffee von heute ist quasi der Kaffee von morgen.

Bleibt die Frage, wie realistisch solche Kolonialisierungen für eine Menschheit, die mit irdischen Problemen mehr als ausgelastet scheint, überhaupt sind: "Aus technischer Sicht könnten die ersten Menschen binnen der nächsten zehn Jahre auf dem Mond leben – auf dem Mars innerhalb der nächsten 20 Jahre. Allerdings müssten dafür erst die politischen und finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden. Ich hoffe, dass ich die erste Marslandung noch erlebe. Manche reden ja von den 2030er-Jahren. Das halte ich zwar für technisch machbar, insgesamt aber doch für etwas zu optimistisch."

Ginge die 34-Jährige denn selbst das Risiko ein, am Roten Planeten zu leben? "Ja, ich würde mitfliegen. Allerdings würde ich dort nur eine Forschungsstation aufbauen." Nachsatz: "Und ein Fenster im Habitat muss sein. Für Ingenieure ist das natürlich ein echter Albtraum."