Weil sie hohe Geldsummen von Geschäftspartnern ergaunert und Dutzende Hotelrechnungen nicht bezahlt haben soll, muss sich eine mutmaßliche Hochstaplerin aus Deutschland in New York vor Gericht verantworten. Nach der Auswahl der Jury soll der Prozess am Mittwoch (ab 14.30 MEZ) mit den Eröffnungsplädoyers beginnen.

Die Staatsanwaltschaft wirft der 28-Jährigen vor, von November 2016 bis August 2017 verschiedene Menschen, Hotels und Restaurants um insgesamt rund 275.000 Dollar (etwa 240.000 Euro) betrogen zu haben. Sie gab sich dabei in New York als reiche High-Society-Erbin aus Deutschland aus. Der Fall zog in den USA so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass derzeit mehrere Verfilmungen im Gespräch sind.

Lebensgeschichte voller Lügen

Die Lebensgeschichte der Deutschen steckte Ermittlern zufolge voller Lügen, mit denen sie das Vertrauen der New Yorker High Society gewann und ihre Opfer um mehr als die Viertelmillion Dollar betrogen haben soll. Die Geschichte der 28-Jährigen, die das "New York Magazine" im Mai 2018 aufdeckte, liest sich wie das Abschlusskapitel im Meisterkurs für Trickbetrüger. Mit einer Kombination aus Lügen, selbstsicherem Auftreten, gefälschten Dokumenten und Ausreden soll sie Bekannte, Hotels, Restaurants und Banken reihenweise hinters Licht geführt haben. Die junge Frau wurde in Russland geboren, zog im Alter von 16 Jahren mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder nach Deutschland und ging in der Nähe von Köln in die Schule.

"Sie hatte ein engelhaftes Gesicht mit blauen Augen und Schmollmund", schreibt Fotoredakteurin Rachel Deloache Williams vom Magazin "Vanity Fair", die die Deutsche um 62.000 Dollar betrogen haben soll. Ihr Kleidungsstil war ein zusammengewürfelter Mix aus Designerstücken, die für Mitglieder der New Yorker Luxusszene zum kleinen Einmaleins gehören, und die die 28-Jährige teilweise trug wie Billigware. Gerade dieses "schlampige" Aussehen habe die junge Frau wirken lassen, als sei sie wirklich reich, urteilte die Website "Vice News".

Treuhandfonds-Kids

Niemand wusste offenbar, woher diese rothaarige Frau kam oder woher sie all das Bargeld hatte, mit dem sie neue Bekannte zu teuren Essen einlud. Sie schien geschickt darin, sich mit den richtigen Leuten an den richtigen Orten zu umgeben. "Treuhandfonds-Kids rennen überall herum. Jeder ist dein bester Freund und du weißt über niemanden etwas wirklich", sagte Marketing-Experte Tommy Saleh, der die Deutsche 2013 in Paris während der Modewoche kennenlernte. Auf Kunstmessen und in Galerien mischte sie sich unters Volk.

Der Haken war nur: Sie zahlte ihre Rechnungen nicht. Laut Staatsanwaltschaft fälschte sie Schecks, beglich Schulden nicht und legte bei Banken gefälschte Unterlagen vor, um etwa einen Kredit über 22 Millionen Dollar zu sichern. Darin gab sie demnach an, im Ausland über mindestens 60 Millionen Euro zu verfügen. Sie sprach davon, einen privaten Club mit Filialen in Los Angeles, London, Hongkong und Dubai öffnen zu wollen. Zur Höchstform ihrer Trickserei lief die 28-Jährige laut Ermittlern von November 2016 bis August 2017 auf.

Im Gefängnis

Inzwischen sitzt sie im berüchtigten New Yorker Gefängnis Rikers Island ein, am Mittwoch sollte mit den Eröffnungsplädoyers ihr Strafprozess beginnen. Ihr wird mehrfacher schwerer Diebstahl vorgeworfen, im Fall einer Verurteilung droht ihr eine jahrelange Haftstrafe. Unabhängig vom Urteil könnte sie nach Deutschland abgeschoben werden, da sie ihr 90 Tage gültiges Visum für die USA nach Angaben der Polizeibehörde ICE bereits überzogen hat.

Ob sie Reue spürt? Sicher habe sie einige Dinge falsch gemacht, sagte sie dem "New York Magazine" - "das mindert aber nicht die hundert Dinge, die ich richtig gemacht habe". Der spektakuläre Fall hat längst das Interesse Hollywoods geweckt: TV-Produzentin Shonda Rhimes ("Grey's Anatomy") will die Geschichte für Netflix in eine Serie verwandeln, parallel ist ein Titel mit Jennifer Lawrence oder Margot Robbie in der Hauptrolle im Gespräch.

Womöglich waren die Monate in der High Society nicht ihr letzter Streich: Laut "Variety" hat die Deutsche aus dem Gefängnis selbst Kontakt nach Hollywood, um mit darüber zu entscheiden, wer ihre Rolle spielt. Ihr gehe es darum, auch während ihrer Strafe im Gespräch zu bleiben. Die Website "Mashable" glaubt: "Es war sicher nicht das letzte Mal, dass wir von ihr hören, und womöglich war dies ihr größter Betrug überhaupt."