Schon die Vorstellung dürfte so manchen, permanent auf das Display seines Endgerätes starrenden und gut konditionierten Europäer überfordern und grausen lassen: Offline zu sein. Und das nicht nur ein paar Stunden, weil der Handy-Akku des 1000-Euro-Smartphones wieder einmal zur Neige ging, sondern zwei Wochen. So geschehen nun auf im 747 km² kleinen Südsee-Königreich Tonga mitten im Südpazifik.

Einziges Internet-Kabel gerissen

Für knapp 110.000 Tongaer musste bislang ein unter Wasser verlegtes Glasfaserkabel reichen. Vor zwei Wochen riss dieses - vermutlich hat ein Schiff mit einem am Meeresboden schleifenden Anker das Kabel versehentlich gekappt. Danach: Sendepause. Kein Kontakt mehr zum World Wide Web. "Wir hatten zwei ziemlich ruhige Wochen", sagte Regierungssprecher Lopeti Senituli nicht ohne Ironie. Wirtschaftlich dürfte die Offline-Phase nicht unbedingt erfreulich gewesen sein, schließlich lebt der einst "Freundschaftsinseln" genannte Staat vor allem vom Tourismus. Banken konnten zudem wichtige Geldüberweisungen von Tonganern im Ausland an ihre Familien nicht abwickeln, sagte die Präsidentin der tonganischen Handelskammer, Paula Taumoepeau.

In einem bissigen Kommentar auf der "Bayern 2"-Website werden gar Parallelen zu Deutschland hergestellt: "Tonga ist also ein wenig das Berlin unter den Inselstaaten: Arm, internetaffin, kriminalitätsaffin und auf eine weirde Art irgendwie auch ganz cool. Und wie Berlin hat es die sympathische Insel-Monarchie ohnehin schon nicht leicht." Der Begriff Darknet habe eine neue Bedeutung bekommen - und überhaupt seit das Netz in Tonga ohnehin schon berüchtigt gewesen: Tonga, das war gewissermaßen das Darknet - bevor es das Darknet gab.

"Tonga vergab die exotische länderspezifische Top-Level-Domain .to und garantierte dem Betreibern manch zweifelhafter Websites weitgehend Anonymität. Und so tummelten sich unter der Endung .to bald allerlei Qualitäts-Angebote wie Kinoi.to, Kinox.to und Movie4k.to." Illegale Seiten "auf denen man umsonst Filme und Serien schauen konnte, also zumindest dann, wenn man sich zuvor minutenlang durch eine dicke Schicht an Porno-Popups gearbeitet hatte."

Jedes Bit, jede Unterhaltung zählte

In Summe blieb Chaos oder gar Panik im Pazifik-Königreich aus: Über einen behelfsmäßigen Satellitendienst wurden immerhin Telefonverbindungen ins Ausland und die Abrechnung von Kreditkartenzahlungen gewährleistet - jedes Bit zählte. Seit Samstagabend gibt es wieder eine Verbindung, ab Montag soll diese wieder voll funktionsfähig sein. "Die Leute holen jetzt den ganzen Klatsch und Tratsch und ihre Geschäfte nach", ließ Senituli wissen.

In den verbindungslosen zwei Wochen funktionierte das freilich auch schon. Mit Unterhaltungen von Angesicht zu Angesicht. Ein wenig so, wie die Menschen früher ihr Dasein fristeten: Offline. Stellen Sie sich das einmal vor.