Lächeln auf dem Laufsteg ist heutzutage so gut wie ausgestorben - ernst, wenn nicht abweisend schauen die meisten Models. "Ich habe für unzählige Leute gearbeitet, noch nie hat mich jemand gebeten zu lächeln", bestätigte der 26-jährige Ty Ogunkoya am Rande der Fashion Week in Paris. "Ehrlich, es wäre komisch, wenn ich das täte", fügte der Londoner hinzu, der seit zehn Jahren modelt.
Die Slowakin Klara hat einen Trick gefunden, um bei Modenschauen niemals freundlich zu schauen. "Wenn ich über den Laufsteg gehe, versuche ich, an etwas Trauriges zu denken, wie an den Tag, als meine Katze von einem Bus überfahren wurde", sagte die 18-Jährige. Für den Franzosen Matthieu Villot ist der Grund einfach: Die Modeschöpfer wollten Kleider zeigen, nicht Gesichter, sagte der 22-jährige Medizinstudent, der als Model jobbt.
In den 1960er-Jahren sah das noch anders aus: Damals "lächelten die Mannequins, sie tanzten und bewegten sich viel", sagte die Modehistorikerin Lydia Kamitsis. Auch in den 1980er-Jahren, zu Zeiten von Topmodels wie Cindy Crawford und Naomi Campbell, hätten diese eine Persönlichkeit gehabt, die zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Die Wende kam laut Kamitsis mit japanischen Designern wie Yohji Yamamoto. Plötzlich hätten die Models ausdruckslos gewirkt. "In den vergangenen Jahren wurden Mannequins immer mehr zu Kleiderständern."
Für die Anthropologin Leyla Neri verschwand das Lächeln mit der zunehmenden Emanzipation der Frauen. Von da an hätten die Mannequins immer weniger gelächelt und seien androgyner geworden, sagte die Modedirektorinn der New School Parsons in Paris. Die "Generation Puppe, perfekte Frau, Hausfrau am Herd, diese Zeiten waren vorbei", fügte Neri hinzu. Bei Modenschauen etwa von Yves Saint Laurent oder Armani in den 1980er-Jahren hätten die Models dann "hart, männlich und kämpferisch" gewirkt, "mit breiten Schultern liefen sie in Riesenschritten", erinnerte Neri.