Sie ist Israels Batwoman: Im abgeschiedenen Tal Elah hat die junge Israelin mit den violetten Haaren eine verborgene Pflegestation für hunderte Flughunde eingerichtet, mit denen sie ihr Leben teilt. "Die verletzten oder kranken Tiere schauen Dich mit diesen großen traurigen Augen an, wie Disneyfiguren", begründet Nora Lifschitz gerührt ihre Vorliebe.
Die schrillen Schreie der fliegenden Säugetiere übertönen die Stimme der 29-jährigen, die nicht nur wegen ihrer außergewöhnlichen Berufung, sondern auch mit Piercings und Tätowierungen im Gesicht auffällt. Die engagierte Tierschützerin bemuttert gerade 260 Neuankömmlinge, die vor dem Abriss eines leer stehenden Gebäudes im Küstenort Chadera in Sicherheit gebracht wurden.
Sie gesellen sich nun zu hunderten Artgenossen in den beiden mit Nylonnetzen abgetrennten Großkäfigen in einer Halle, die früher als Hühnerfarm diente. Zwei Mädchen, die Nora mit weiteren Freiwilligen helfen, füttern die Tiere reihum mithilfe von Spritzen ohne Kanüle. Die rund 15 Zentimeter großen Nilflughunde klammern sich dabei an die Hemden ihrer Ammen.
Bestialischer Geruch
Bündelweise hängen viele der Fledertiere kopfunter an Teddybären und anderen Plüschtieren, die als Ast-Ersatz von der Decke baumeln. Ihre offenen Mäuler zeigen winzige Vampirzähne. Der Boden ist bedeckt mit Exkrementen und Resten überreifer Früchte, welche die wesentliche Nahrungsgrundlage dieser Art bilden. In der aktuellen Hitzeperiode entwickelt sich ein pestartiger Geruch.
Das kann Nora nicht abschrecken, die ihren Wohnbereich ebenfalls in dem Blechschuppen eingerichtet hat. Die Sozialarbeiterin hat sich privat immer schon für verletzte oder verlassene Tiere aller Art eingesetzt und dabei eine besondere Zuneigung zu Flughunden entwickelt.
"Die erinnern nicht nur vom Gesicht her, sondern auch mit ihrer Treue und Gehorsamkeit ein bisschen an Hunde, zugleich aber auch an Katzen, wenn sie keine Lust auf Mensch haben und Dir die kalte Schulter zeigen", erläutert sie. Vor zwei Jahren hatte sie angefangen, über Facebook Hilfe für verletzte Flughunde anzubieten. Das sprach sich schnell herum.
Ihre Wohnung mitten in Tel Aviv war bald der falsche Platz für die wachsende Pflegestation. Ihr Verein Atalef (Hebräisch für "Fledertier") sammelte über das Internet ausreichend Finanzmittel, um im Frühjahr den Umzug in das neue Domizil zu ermöglichen.
Geheimer Ort
Dieses befindet sich in den Judäischen Hügeln südwestlich von Jerusalem im Tal Elah oder Tal der Terebinthen, wo David in biblischer Zeit Goliath im Zweikampf besiegte. Den genauen Ort will Nora nicht veröffentlicht sehen, um das anonyme "Abladen" von Tieren zu vermeiden. Ihre Helfer holen gefährdete Flughunde ab, sobald Meldungen über Facebook oder eine Notrufnummer eingehen.
Außerdem fürchtet die Tierschützerin Vorbehalte der Nachbarn, wenn die Adresse publik wird. Denn der Rousettus Aegyptiacus, so der wissenschaftliche Name, gilt als Plantagenschädling. Nora widerspricht: Ihre Schützlinge ernährten sich eigentlich nur von überreifen Früchten oder solchen, die geschädigt sind. Die Litschis, Datteln oder Feigen würden von den Bauern aber schon kurz vor der Reife geerntet, um die Haltbarkeit zu verlängern.
Gesundete Tiere sollen ausgewildert werden
Ziel des Refugiums ist, die gesundeten Tiere auszuwildern. Nora öffnet ihnen ein Fenster "und dann fliegen sie raus und rein, bis sie sich entschließen, das Weite zu suchen", berichtet sie.
Ihr Vermieter, der Farmer Schimon, ist inzwischen ebenfalls zum Flughundeliebhaber geworden. "Ich wusste eigentlich nicht, auf was ich mich da einlasse", gesteht er. Nun hat er soviel Gefallen an den Fledertieren gefunden, dass er ihnen einen Netztunnel zu Obstbäumen bauen will. Und er freut sich, "dass die Hühnerfarm, wo Schlachttiere gezüchtet wurden, jetzt eine Rettungsstation ist".