Im Zuge von Sicherungsarbeiten zum Schutz von archäologischen Ausgrabungsstätten im antiken Ephesos (Türkei), stießen Forscher des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) auf "eine kleine Sensation", wie es am Freitag in einer Aussendung heißt. Sie entdeckten eine Schankstube aus dem frühen 7. Jahrhundert, die zahlreiche Einblicke in das damalige Alltagsleben erlauben.
Der unerwartete Fund gelang dem Grabungsteam im Rahmen der alljährlichen Ausgrabungskampagne des ÖAI. Die sogenannte "Taberne" aus byzantinischer Zeit lag an der Kuretenstraße - einer der Hauptstraßen. Die Sicherungsarbeiten wurden notwendig, da die einstige Stadt eingebettet in eine Talsenke zwischen zwei Bergen liegt. Die früher dicht bebauten Hänge verödeten nach der Aufgabe der Stadt, und die Hänge begannen zu rutschen. Auch heute noch sind archäologisch erschlossenen Bereiche durch Rutschungen gefährdet, weswegen die Forscher die Entwicklung ständig beobachten und beispielsweise Trockenmauern errichten, um die Ruinen zu schützen.
Beim Mauerbau
Beim Bau einer solchen Mauer kam nun eines der vermutlich zahlreichen "Geschäftslokale" an der früheren Hauptverkehrsader zum Vorschein. Dass es sich um ein spätantikes Wirtshaus handelt, schließen die Wissenschafter aus den mehr als hundert komplett erhaltenen Gefäßen - darunter Trinkbecher, Schalen und Teller und viele Amphoren. Außerdem gab es dort Sitzbänke und kleine Tische. Sogar ein Regal, auf dem noch Geschirr stand, wurde ausgegraben.
Für die Direktorin des erst kürzlich in die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) eingegliederten ÖAI und Grabungsleiterin von Ephesos, Sabine Ladstätter, "präzisiert die Entdeckung unsere Vorstellungen von der Straße als Lebensader und als Kommunikationszentrum der Stadt in der Spätantike. Das öffentliche Leben und mit ihm das wirtschaftliche und gesellschaftliche Treiben verlagerte sich von den großen Platzanlagen hin zu den innerstädtischen Boulevards, die in weiterer Folge sowohl repräsentativ als auch infrastrukturell ausgestaltet wurden."
In den dortigen Lokalen wurden Weine aus unterschiedlichen Herkunftsregionen sowie kleine Speisen serviert. "Neben den regional angebauten Rebsorten fanden sich an die Wände angelehnt Amphoren aus Gaza sowie Kilikien (heute Südost-Türkei, Anm.)", erklärte Ladstätter.
Dass die kleine Kneipe so gut erhalten geblieben ist, dürfte unmittelbar mit dem jähen Ende des Gastbetriebes zusammenhängen: Die Zerstörung erfolgte plötzlich im frühen 7. Jahrhundert. Das Inventar blieb damals einfach am Boden liegen, und in der Folge machte niemand den Versuch eines Wiederaufbaus.
Darauf weisen auch die zahlreich gefundenen Münzen in der durch einen verheerenden Brand verursachten Ausgrabungsschicht. Diese seien "besonders interessant, da sie einen bereits vorher erkennbaren, dramatischen Einschnitt im Geldumlauf der Stadt während der Regierungszeit des Kaisers Heraclius (610-641) deutlich belegen", so Nikolaus Schindel, Leiter der Arbeitsgruppe Numismatik am Institut für Kulturgeschichte der Antike der ÖAW.
Krieg mit Iran
Zur Zeit dieses Herrschers tobte ein Krieg mit dem sasanidischen Iran. Ephesos könnte damals auch erobert worden sein, vermuten die Forscher. "Gerade die überdurchschnittlich große Zahl schwerer, großer Münzen in der Taberne beweist, dass das Schadensereignis so schwerwiegend war, dass danach nicht einmal mehr leicht auffindbare Münzen geborgen werden konnten", erklärte Schindel. Die Zerstörungen waren jedenfalls nachhaltig, denn danach wurde lediglich die Kuretenstraße vom Schutt frei gehalten - vermutlich um eine funktionierende Verbindung vom Hafen zu den christlichen Pilgerheiligtümern zu garantieren.
Die österreichischen Grabungen in Ephesos finden seit 1895 statt. An dem archäologischen Großprojekt beteiligen sich alljährlich um die 250 Wissenschafter aus bis zu 20 Ländern.