Manch anderer hätte sich längst auf einen einsamen Planeten gewünscht. Wenn sich Ereignisse wie 50 Jahre Mondlandung am Horizont abzeichnen, steht Christian Köberl im Dauereinsatz. Doch dafür jemanden gleich auf den Mond schießen? Da kann er nur lachen: „Es freut mich sehr, wenn sich Leute für den Mond interessieren.“ Dass er ein ausgewachsenes Faible für den Erdtrabanten hat, wäre einem spätestens in seinem Büro klar geworden: Hier ist immer Vollmond oder alles voll Mond, beides wird wohl stimmen. Der Mond in unterschiedlichen künstlerischen Spielarten, sogar eine Art Mondglobus mit realer Oberflächenabbildung gibt es hier. Fast wirkt es beim Eintreten so, als wäre man zufällig in eine fremde Galaxie gestolpert.
Warum man ausgerechnet hier gelandet ist, ist kein Geheimnis: Christian Köberl ist nicht nur Generaldirektor des Naturhistorischen Museums (NHM) in Wien und Geochemiker, sondern vor allem auch Impaktforscher. Salopp könnte man sagen: Steine sind seine Leidenschaft und ist von Mondgestein die Rede, dann ist er in seinem Element. Vor allem auch, weil nur wenige Meter oberhalb, im Meteoritensaal des Museums, echtes Mondgestein als Dauerleihgabe der Nasa ausgestellt ist. Das ist kein kleiner Steinwurf, sondern eine echte Rarität, denn Steine vom Mond sind die seltensten, teuersten und wertvollsten, die es auf der Erde gibt.
Das liegt vor allem daran, dass es nicht viel davon gibt, wie Köberl erklärt: „Die sechs bemannten Apollo-Mondmissionen haben insgesamt rund 380 Kilogramm Mondgestein mit zurück auf die Erde gebracht. Dazu kommt noch das Drittel eines Kilos von den drei unbemannten sowjetischen Lunar-Missionen 16, 20 und 24. Alle Proben wurden von genau definierten und dokumentierten Bereichen genommen.“ Die wertvolle Fracht wird seitdem gehütet wie ein Schatz. Während die sowjetischen Proben in Moskau verwahrt werden, sind die Apollo-Mondproben fest in der Hand der Nasa. „Im Wesentlichen sind sie für wissenschaftliche Untersuchungen da, aber nur ungefähr die Hälfte wurde überhaupt aufgemacht. Die hebt man sich auf, weil sich die Untersuchungsmethoden drastisch verändern. Zum Beispiel bestimmte Isotopenzusammensetzungen, die konnte man vor 50 Jahren noch gar nicht einmal messen.“ Wer also mit Mondgestein forschen darf, darüber entscheidet nach einem Forschungsantrag eine Kommission, wie der Wissenschaftler erklärt.
Zu kaufen gibt es dieses Mondgestein nicht – ein klassischer Fall von Verknappung. Das erklärt auch, warum vor zwei Jahren in New York ein Beutel mit der Aufschrift „Lunar Sample Return“ um 1,56 Millionen Euro versteigert wurde. Nun ja, der Sack war natürlich kein x-beliebiger Beutel, sondern das Behältnis, in dem Astronaut Neil Armstrong 1969 Steinproben vom Mond zurück auf die Erde brachte. Der Inhalt: ein bisschen Mondstaub. Kein Wunder, dass die Auktion schon im Vorfeld viel Staub aufgewirbelt hat.
Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit, um zu Mondgestein zu kommen. Dafür ist nicht einmal ein Ausflug ins All notwendig, sondern nur in die unendlichen Weiten der Sahara oder der Antarktis. Zumindest sind dort die Chancen am größten, auf die sogenannten Mondmeteoriten zu stoßen: Das ist Gesteinsmaterial vom Mond, das etwa durch den Einschlag eines Asteroiden von der Mondoberfläche abgeschlagen wurde und rund 384.400 Kilometer weiter, auf der Erde, aufgeschlagen ist. „Solche Objekte hat man zum ersten Mal in den 1980er-Jahren auf der Erde, und zwar in der Antarktis gefunden. Mittlerweile hat man viele dieser Mondmeteoriten auf der Erde entdeckt. Sie werden auch gehandelt und zum Teil zu sehr hohen Preisen verkauft“, so Köberl. Erst im Oktober wurde ein 5,5 Kilogramm schwerer Mondmeteorit bei einer Auktion in Boston um rund 530.000 Euro verkauft. Gefunden wurde er in Mauretanien.
Vor allem Marokko ist bei den Mondmeteorit-Jägern beliebt, denn von dort dürfen sie ausgeführt werden. Ein nettes Salär – zumindest wenn man weiß, wonach man suchen muss. Sollten Sie jemals in Österreich auf einen Mondmeteoriten stoßen, dann haben Sie ein Problem, wie der Museumschef erklärt: „Fällt in den USA ein Mondmeteorit auf Privatgrund, dann gehört es dem Besitzer. In Österreich ist die gesetzliche Lage ungeklärt. In Australien hingegen sind Mondmeteoriten Eigentum der britischen Krone.“
Doch was sagt das Mondgestein über den Mond aus? „Die Chemie und die Mineralogie des Mondes sind sehr einfach. 98 Prozent aller Mondgesteine bestehen aus nur vier Mineralen: Plagioklas, Pyroxen, Olivin und Ilmenit. Das ist auf der Erde deutlich komplizierter“, gibt Christian Köberl einen Einblick. Das heißt aber nicht, dass der Mond ein langweiliger, grauer Klops im Universum ist. Zu seiner Anfangszeit sei der Mond ein aktiver Himmelskörper mit Vulkanismus gewesen, so Köberl, das Gestein liefert hier die notwendigen Antworten: „Mithilfe der Mondproben können wir datieren, wann der Vulkanismus erfolgt ist und wie sich die Vulkaneruptionen chemisch zusammensetzten.“
Das Gestein liefert aber auch Antworten zur Entstehung und Entwicklung des Mondes selbst. Und es zeigt sich: Der Mond ist mit der Erde intensiv verbunden. Denn in der Frühphase ihrer Entstehung ist die Erde mit einem anderen Planeten kollidiert. Die entstandenen Trümmer bildeten eine Scheibe um die Erde, daraus formte sich der Mond. „Diese sogenannte Giant-Impact-Hypothese stimmt mit den chemischen Analysen der Mondgesteine überein“, so der Experte, der gleich darauf hinweist, dass die Mondforschung aber noch viel vorhat: „Was ich mir wünschen würde, wären mehr Proben von der Mondrückseite, und dass man versucht, die großen Einschlagsbecken einzeln zu datieren. Also nicht die Magma-Verfüllung, sondern wann der Impakt erfolgt ist.“
Wenn möglich, würde Christian Köberl die Proben natürlich auch gerne selbst vom Mond holen: „Solange es kein One-Way-Ticket ist, wäre ich sofort mit dabei. Das würde ich wahnsinnig gerne machen!“