1. Wo vertreibt der Klimawandel Menschen?
Laut dem neuen Report des Internal Displacement Monitoring Centre gab es vergangenes Jahr über 30 Millionen Vertreibungen innerhalb von Landesgrenzen aufgrund von Naturkatastrophen. Rund zwei Drittel davon flohen in den Ländern Pakistan, Philippinen, China und Indien, die im Vorjahr besonders von Fluten und Stürmen betroffen waren. Durch den Klimawandel treten diese häufiger und schwerer auf. Nicht alle Extremwetterereignisse sind auf die Erderhitzung zurückzuführen, dennoch ist sich die Forschung einig, dass sie Migrationsbewegungen beeinflussen können. Menschen geraten an die Grenzen ihrer Überlebensfähigkeit und suchen anderswo Schutz und Arbeit.
2. Welche Länder sind besonders betroffen?
Besondere Hotspots für klimabedingte Vertreibung sieht Migrationsforscher Roman Hoffmann vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg zukünftig "in der Sahelzone, Ostafrika, dem Horn von Afrika, Südasien, Inselstaaten und Bergregionen". Er stellte bei seiner Arbeit zwar eine Verbindung zwischen dem Klimawandel und Migration her, warnt aber vor Verallgemeinerungen: "Eine umweltliche Veränderung allein ist selten die Ursache für Migration. Migration ist ein Zusammenspiel von verschiedenen Einflüssen." Diese Faktoren sind vielfältig. Oft ist es eine Mischung aus Bevölkerungswachstum, Armut, Staatsführung und Konflikten.
3. Wie viele Menschen werden fliehen?
Die Schätzungen gehen weit auseinander. Bis 2050 rechnet die Weltbank mit 216 Millionen "Klimaflüchtlingen". Das australische Institute for Economics and Peace prognostizierte hingegen 1,2 Milliarden Vertriebene im gleichen Zeitraum. Bei zweiterer Prognose wurden die Zahlen der Binnenvertriebenen vergangener Jahre auf das Jahr 2050 hochgerechnet, ohne zu berücksichtigen, dass viele Menschen bereits nach kurzer Zeit wieder nach Hause zurückkehren können. Experten wie Hoffmann betrachten solche Schätzungen kritisch: "Es kann möglich sein, dass Mobilität in einem größeren Rahmen beeinflusst wird, aber es ist sehr schwierig, es auf eine Zahl herunterzubrechen."
4. Kommen diese Menschen nach Europa?
Vermutlich nicht, meint Politikwissenschaftlerin Sarah Louise Nash, Forscherin an der Donau-Universität Krems und der BOKU in Wien. "Die Mehrheit der Menschen, die aufgrund von Klimaereignissen migrieren, bleiben innerhalb ihres eigenen Landes", sagen sie und viele weitere Forscher. Auch wenn die Sicherheit Europas anziehend wirkt, versuchen Menschen oft nah an ihrer Heimat zu bleiben. Sie ziehen in Ballungsräume und gehen nur selten über Grenzen. Dies kann als eine Art der Arbeitsmigration verstanden werden, wohingegen es ärmeren Bevölkerungsgruppen oft an finanziellen Mitteln fehlt, um überhaupt migrieren zu können.
5. Warum ist Europa trotzdem betroffen?
Obwohl Europa keine massiven Flüchtlingswellen aus dem Globalen Süden erwarten muss, betreffen die Herausforderungen der Klimakrise den Kontinent. "In Südeuropa sehen wir in der Landwirtschaft jetzt schon erhebliche Produktivitätsverluste, die sich auf diese ländlichen Regionen auswirken und natürlich zu einem weiteren Wegzug beitragen können", sagt Migrationsforscher Hoffmann. 2022 mussten knapp 100.000 Europäer ihr Zuhause wegen der Waldbrände zumindest vorübergehend verlassen. Die Temperaturen stiegen in Europa in den vergangenen 30 Jahren doppelt so schnell wie im globalen Mittel. Politikwissenschaftlerin Nash betont deshalb, dass die EU die Situation innerhalb ihrer Grenzen im Blick behalten muss und auch global Verantwortung trägt. "Viele Menschen, die vom Klimawandel betroffen sind, wollen nicht als Flüchtlinge bezeichnet werden. Sie argumentieren, dass ihr Staat nicht an ihrer Situation schuld ist. Eher sind es Industriestaaten, die hohe Treibhausgasemissionen haben", sagt sie.
6. Was bedeutet das für Österreich?
Eine weitere Folge des Klimawandels ist ein geringer werdender Schneefall, was selbst in Österreich zu einer "Flucht" vor dem Klima führen kann. Der heimische Wintertourismus ist bedroht. "Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Mobilität der Menschen", so Hoffmann. Wesentlich sind dafür die rund 200.000 Beschäftigten der Tourismusbranche, wovon ein großer Teil im Wintertourismus arbeitet.