Es war ein nassgrauer, regnerischer Morgen, als zwei Dutzend Leute der deutschen Gruppe "Letzte Generation" am 24. Jänner 2022 erstmals in Berlin Autobahnzufahrten blockierten. Damals hatte wohl kaum jemand eine Vorstellung, was aus dem Protest für mehr Klimaschutz noch werden sollte. Seither haben die sogenannten "Klima-Kleber" die halbe Republik gegen sich aufgebracht. Auch in Österreich gab es seither viele Aktionen.
"'Letzte Generation' wurde unignorierbar"
Autofahrer schimpfen, Staatsanwälte ermitteln, Politiker empören sich, vermuten gar Terrorgefahr. Die Gruppe selbst zieht diese Bilanz: "Innerhalb eines Jahres ist die 'Letzte Generation' unignorierbar geworden." Die Attacken gegen die kompromisslosen Klimaaktivisten werden indes immer unverblümter: Als Vertreter der Gruppe jüngst mit Verkehrsblockaden in Berlin erneut für mehr Klimaschutz protestierten, kam es in mehreren Fällen zu schweren verbalen, aber auch physischen Auseinandersetzungen mit Autofahrern.
Es gab Schreitiraden, Aktivisten wurden geschubst und von der Straße gezerrt – die Polizei ermittelt. Ein Autofahrer fuhr einem Klimaschützer offenbar über dessen Fuß. Wie die Behörden mitteilten, sind auch wegen dieses Vorfalls inzwischen Ermittlungen gegen Unbekannt eingeleitet worden – es geht um den Verdacht auf gefährliche Körperverletzung, Nötigung und Verstoß gegen das Versammlungsfreiheitsgesetz. Es gab Zeugeneinvernahmen, die Polizei war zum Zeitpunkt der Attacke mit dem Auto noch nicht vor Ort gewesen. Der am Fuß überrollte Aktivist soll unverletzt geblieben sein.
Bis Jänner 2700 Anzeigen in Berlin
Bei der Berliner Staatsanwaltschaft laufen unterdessen einige Ermittlungsverfahren wegen Zusammenstößen zwischen Klimaaktivisten und Verkehrsteilnehmern im vergangenen Jahr, wie aus der Antwort des Senats auf eine Grünen-Anfrage hervorgeht. Gegen die Straßenblockierer gibt es laut "Tagesspiegel" in Berlin bis Jänner insgesamt 2700 Anzeigen, 770 Verdächtige waren polizeibekannt. Bei der Staatsanwaltschaft waren bis Mitte Jänner 1185 Fälle gelandet. Die "Letzte Generation" selbst berichtet von 1250 Straßenblockaden in ganz Deutschland.
Angefangen hatte alles schon 2021, kurz vor der deutschen Bundestagswahl, mit einem Hungerstreik in Berlin für eine radikale Klimawende. Die Aktivisten und Aktivistinnen warnten damals wie heute, dass kaum noch Zeit bleibe, eine Vollbremsung bei den schädlichen Klimagasen einzuleiten und eine für Millionen Menschen weltweit tödliche Überhitzung der Erde zu vermeiden. Die Hungerstreikenden erstritten ein Gespräch mit Wahlgewinner Olaf Scholz. Als Scholz auf ihre Forderungen nicht einging, begannen die Straßenblockaden.
Dazu kamen Proteste in Museen, Stadien, an Erdölpipelines oder Flughäfen. In der Regel kleben sich die Teilnehmer an Oberflächen fest, damit die Räumung lange dauert.