So viel ist schon jetzt fix: 2022 wird als Jahr besonders starker Wetterextreme in Erinnerung bleiben. In Pakistan setzte schwerer Monsunregen zwischenzeitlich ein Drittel der Landesfläche unter Wasser, 1700 Menschen starben binnen vier Monaten, mehrere Hunderttausend Häuser wurden vernichtet. Auch Nigeria, der Tschad und der südliche Sudan versinken förmlich in Wassermassen, während in anderen Teilen der afrikanischen Sahelzone eine katastrophale Dürre seit Monaten mehr als 300 Millionen Menschen hungern lässt. In Nordamerika und Europa purzelten im Sommer indes die Temperaturrekorde, Flusspegel sanken auf Tiefststände ab.
Stärkere und häufigere Hitzewellen, andernorts extremere Niederschläge – das sind die unmittelbarsten Folgen der global steigenden Temperaturen. "Eine Hitzewelle, die ohne Klimawandel ein Jahrhundertereignis gewesen wäre, ist jetzt normaler Sommer. Eine Jahrhundertflut ist jetzt im Schnitt einmal in 50 Jahren zu erwarten", beschreibt es Friederike Otto, Klimaforscherin an der Universität Oxford. Gemeinsam mit 20 internationalen Forscherinnen und Forschern hat sich Otto unter anderem den heurigen Dürresommer auf der Nordhalbkugel genauer angesehen. Ergebnis: Ohne menschengemachten Klimawandel würden derartige Extreme im Schnitt nur alle 400 Jahre vorkommen. Inzwischen sei damit alle 20 Jahre zu rechnen.
Hitzewallung im letzten Jahrzehnt
Ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen. Laut den Messungen der US-Wetterbehörde NOAA ist das laufende Jahr trotz eines an sich kühlenden La-Niña-Einflusses auf Kurs, global das sechstwärmste jemals gemessene zu werden. Die zehn heißesten Jahre seit dem 19. Jahrhundert wurden allesamt nach 2010 registriert. Grund dafür ist der weltweite Treibhausgasausstoß, der bereits im Vorjahr wieder den Vor-Corona-Wert von 2019 überschritten haben dürfte.
Doch es sind nicht nur Hiobsbotschaften, die rund um die Weltklimakonferenz der UNO, bei der von 6. bis 18. November im ägyptischen Sharm el-Sheikh Delegierte aus 196 Staaten teilnehmen, verkündet werden. So zeigt der heuer publizierte 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC, dass der Zuwachs an Emissionen im abgelaufenen Jahrzehnt erstmals kleiner geworden ist. Zudem wäre das Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, nach wie vor erreichbar. Dafür aber, so rechnen es die Experten des UN-Umweltprogramms vor, müssten die weltweiten Treibhausgasemissionen im laufenden Jahrzehnt kräftig absinken – von derzeit rund 54 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalent pro Jahr auf etwa 33 (für maximal 1,5 Grad Erwärmung) bis 41 Milliarden Tonnen (für maximal zwei Grad Erwärmung).
Pläne greifen zu kurz
Das Problem: Die bisher getätigten Reduktionszusagen der Staaten bringen bis 2030 im besten Fall einen minimalen Emissionsrückgang um wenige Prozent. Das ist zwar insofern ein Fortschritt, als noch vor einem Jahr nicht einmal dieser Rückgang gewährleistet war. Doch der Planet würde sich in weiterer Folge nach UN-Berechnungen um 2,4 bis 2,6 Grad aufheizen – deutlich mehr als im 2015 abgeschlossenen Klimapakt von Paris vorgesehen.
Bislang aber sieht es auch dafür nicht sehr gut aus. Die Coronakrise und der von Russland vom Zaun gebrochene Krieg in der Ukraine mit all seinen Folgen auf die Energiemärkte haben die politischen Prioritäten zuletzt verschoben. An die Stelle des Klimaschutzes ist in vielen Staaten das Bestreben nach günstigerer Energie getreten. Wird weltweit die bisher umgesetzte Klimapolitik bis 2030 linear fortgeführt, steigen die Temperaturen laut UNO um rund 2,8 Grad an.
Durst nach Öl und Gas
Noch heißer könnte es werden, wenn Energiekonzerne und Staaten nicht von ihren Förderplänen für fossile Energieträger ablassen. So ergab heuer eine Recherche des britischen "Guardian", dass die größten Öl- und Gaskonzerne der Welt immer noch milliardenschwere Expansionspläne verfolgen, die in Summe 646 Milliarden Tonnen Treibhausgasausstoß bewirken könnten. Sowohl die Internationale Energieagentur (IEA) als auch das kanadische International Institute for Susainable Delevopement (IISD) sehen in derartigen Vorhaben das Aus für die Pariser Klimaziele. Um die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, dürften überhaupt keine neuen Öl- und Gasfelder mehr erschlossen werden, heißt es in einem erst im Oktober erschienenen IISD-Bericht.
Steigen die Werte höher, könnte die globale Erhitzung laut aktuellen Befunden der Klimaforschung mehrere gefährliche Kipppunkte überschreiten und sich in Teilen verselbstständigen. Entsprechend nachdrücklich mahnte die ägyptische Gipfel-Präsidentschaft die Staaten zuletzt, ihre Klimazusagen in Sharm el-Sheikh allen Widrigkeiten zum Trotz doch noch nachzuschärfen.