Die Tatoiou-Straße, die sich von Varibobi im Norden Athens die Hänge des Parnes-Massivs hinaufschlängelt, führt in eine Mondlandschaft. Schwarze Baumgerippe ragen in den Himmel, ein Ascheteppich bedeckt den Boden. Bis auf einige wenige Brandnester sind die Flammen gelöscht. Aber immer noch steigt Rauch aus den Wäldern und ausgebrannten Ruinen. Die Feuerwehren sind noch nicht abgerückt. Ein roter Löschhubschrauber kreist wie ein Insekt über dem Gebiet. Die Piloten halten Ausschau nach Brandnestern, die der Wind wieder anfachen könnte.
Die Gegend an den südlichen Ausläufern des Parnes, eines der drei Hausberge von Athen, war dicht bewaldet. In den 1960ern ließen sich viele Athener dort nieder. Sie suchten in den Wäldern Zuflucht vor der Sommerhitze. Dass sie hier von Feuerstürmen heimgesucht werden könnten, haben die Bewohner nicht erwartet. Oder die Gefahr verdrängt. Von vielen Gebäuden stehen nur noch rußgeschwärzte Mauern. Am Ortsrand von Ano Varibobi stochert ein Mann mit einem Feuerhaken in verkohlten Resten seiner Schreinerwerkstatt. „Alles verbrannt“, sagt er, „alles verloren – in einer Nacht.“
Bisher hat erst ein Mensch in den Bränden sein Leben verloren. Das ist vor allem dem griechischen Alarmsystem zu verdanken. Man verlässt sich nicht auf altertümliche Sirenen. Alarme werden als SMS und schrille Signale an Handys geschickt. So werden die Menschen gezielt vor drohenden Gefahren gewarnt und über sichere Fluchtrouten informiert. Entwickelt wurde das Verfahren nach der Brandkatastrophe im Athener Vorort Mati, wo vor drei Jahren über 100 Menschen starben.
Immer wieder flammen während heißer Sommer Brände auf.
Löschflugzeuge können nichts ausrichten
Aber so verheerend wie jetzt wüteten die Feuer noch nie. Nach einer Berechnung des Europäischen Waldbrand-Informationssystems EFFIS sind in Griechenland in diesem Jahr schon fast doppelt so viele Wälder abgebrannt wie im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2020. „Der August wird ein Monat der Albträume“, warnt Efthymios Lekkas, Professor für Geologie und Katastrophenmanagement an der Kapodistrias-Universität Athen. Vielerorts habe man Bodentemperaturen von 65 Grad gemessen, während die Luftfeuchtigkeit auf Werte von zehn bis 15 Prozent gefallen sei, berichtet Lekkas. Das könne zu „explosionsartigen Bränden“ führen. Gegen Feuerstürme mit Temperaturen von 600 Grad und mehr können Löschflugzeuge wenig ausrichten. Das Wasser verdunstet großteils, bevor es die Flammen erreicht.
Während sich die Lage bei Athen entspannte, gab es andernorts keine Entwarnung. Auf der Insel Euböa tobten riesige Feuerfronten. Fischerboote, Fähren und Schiffe der Küstenwache nahmen Tausende an den Stränden auf, weil es keine anderen Fluchtwege gab.
Auf der Halbinsel Peloponnes waren die Brände ebenfalls noch nicht unter Kontrolle. Riesige Feuerfronten fraßen sich von Olympia ins dicht bewaldete Arkadien. Auch südlich der Stadt Megalopolis und der Region Mani brannte es. „70 Prozent unserer Region sind zerstört“, sagte die Vizebürgermeisterin des Ortes Ost Mani, Eleni Drakoulakou, „wir erleben eine biblische Katastrophe.“ Touristenorte oder Ferieninseln sind bisher nicht direkt betroffen, wohl aber Ferienhäuser, vor allem auf der Halbinsel Peloponnes.
Hilfe angelaufen
Inzwischen ist die internationale Hilfe angelaufen. Rumänien schickte am Wochenende Feuerwehrleute und Löschfahrzeuge, um die griechischen Kollegen zu entlasten, die nach einer Woche Dauereinsatz am Ende ihrer Kräfte sind. Mehr als ein Dutzend Länder helfen bereits, Österreich hat ein Kontingent der Freiwilligen Feuerwehr aus Salzburg angeboten.
Fachleute sehen in der Hitzeglocke, die seit Wochen über dem östlichen Mittelmeer liegt, ein Indiz dafür, dass sich der Klimawandel beschleunigt. Der griechische Geowissenschaftler Costas Synolakis meint, Hitzewellen und Feuerstürme in Mittelmeerländern, wie Dauerregen und Flutkatastrophen in Mitteleuropa, seien Ergebnis der globalen Erwärmung. „Unser Klima kippt“, sagt Synolakis. Er zeigt sich überrascht, dass diese Phänomene schon jetzt so massiv auftreten. Eigentlich habe man damit nach 2040 gerechnet. „Sicher ist: Extrem bedeutet nicht, was wir uns bisher vorgestellt haben – extrem ist extremer, als wir dachten.“