Von CO2-Senken über Kerosinsteuer bis hin zum (sanften) Ende des Verbrennungsmotors beinhaltet das Klimapaket der EU-Kommission viele relevante Punkte, die sicherlich notwendig sein werden, aber nicht bei allen Seiten Euphorie auslösen.
Viele Reaktionen aus Politik, Wirtschaft oder auch von NGOs zum Thema erreichen uns heute. Die wichtigsten finden Sie hier im Überblick.
"Kosten nicht primär auf Bürger*innen abwälzen"
"Klimawandel und Umweltzerstörung sind existenzielle Bedrohungen für Europa und die gesamte Welt. Seit Jahren fordern wir Grüne einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie Kohle bis 2030, 100% erneuerbare Energie bis 2040 und den Wiederaufbau unserer Wälder und Ökosysteme, damit wir Artenvielfalt und Biodiversität schützen können. Wir sind froh, dass mehrere Forderungen mit dem "Fit for 55"-Paket kurz vor der Verwirklichung stehen. Es muss aber noch weiter gehen: Weg mit dem Kerosinsteuerprivileg für ausnahmslos alle Flüge innerhalb der EU. Außerdem dürfen die Kosten der Klimawende nicht primär auf Bürger*innen abgewälzt werden, insbesondere ökonomisch-schwache Haushalte müssen unterstützt werden, der vorgeschlagene Sozial Fond darf keine Lücken und Ausnahmen beinhalten."
Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen Österreich
"Vorleistung einzelner Staaten müssen berücksichtigt werden"
"Wir möchten die Dekarbonisierung der Wirtschaft und des Verkehrs aber nicht die Deindustrialisierung und die Einschränkung der Mobilität der Bürgerinnen und Bürger. Daher ist es entscheidend, dass wir die Klimaziele am Weg zur Klimaneutralität Europas bis 2050 durchdacht umsetzen. (...) Jeder muss einen fairen Anteil zum Klimaschutz beitragen, niemand darf überschießend belastet werden. Genauso wenig dürfen Mitgliedstaaten zusätzlich stärker in die Pflicht genommen werden, die ohnehin bereits mehr Vorleistungen gebracht haben. Im Kampf gegen den Klimawandel dürfen wir unsere Unternehmen, allen voran die klein- und mittelständischen Betriebe, nicht belasten, sondern müssen sie gezielt unterstützen, damit sie ihre Innovationskraft voll ausschöpfen können."
Europaabgeordnete Angelika Winzig, ÖVP
"Nicht gleich wieder in Blockadehaltung verfallen"
"Der Green Deal gibt die Richtung vor, jetzt geht es um die konkrete Umsetzung der Gesetze. Die Verhandlungen über die Gesetzesvorschläge werden nicht einfach, aber die EU-Mitgliedstaaten und die Industrieverbände dürfen nicht gleich wieder in eine Blockadehaltung verfallen. Denn wenn wir die ambitionierten Klimaziele erreichen wollen, müssen wir schnell und entschlossen handeln. Besonders begrüße ich deshalb, dass die Vorschläge das Problem in der notwendigen Breite erfassen. Von einer Reform des Emissionshandels über neue Vorgaben für den Verkehrs- und Gebäudesektor bis hin zur zentralen Rolle des Erhalts von Wäldern und Biodiversität wurde an vieles gedacht."
Europaabgeordneter Günther Sidl, SPÖ
"Emissionshandel ist das zentrale Instrument"
"Endlich erfolgt heute der nächste große Schritt für den europäischen Klimaschutz. Den leichteren Teil, die Ziele festzulegen, haben wir bereits geschafft. Europa braucht jetzt diesen großen Wurf. Alle Mitgliedsstaaten müssen nun gemeinsam anpacken, um die Ziele auch zu erreichen. Der Emissionshandel ist das zentrale Instrument unserer Klimaschutzpolitik. Um ihn noch schlagkräftiger zu machen, müssen die Einnahmen aus dem Zertifikate-Handel künftig zu 100 Prozent in europäische Klima-Investitionen fließen und nicht wie bisher zum Teil in nationale Projekte, die oft nichts mit Klimaschutz am Hut haben."
Europaabgeordnete Claudia Gamon, NEOS
"Industrie kommt günstiger davon als Einzelne"
"Es steht außer Frage, dass die Emissionen reduziert werden müssen – und dass der Straßenverkehr seinen Beitrag dazu leisten wird. Mit der E-Mobilität allein wird sich das allerdings nicht ausgehen – es braucht sämtliche Technologien, um das Ziel der CO2-Neutralität zu erreichen.
Allein über die Mineralölsteuer zahlen Autofahrer derzeit schon zwischen 162 und 226 Euro Steuern pro Tonne CO2 beim Tanken von Diesel und Benzin. Im Gegensatz dazu kommt die Industrie, der größte CO2-Emittent Österreichs, deutlich günstiger davon und kann sich mit Emissions-Zertifikaten für rund 50 Euro je Tonne freikaufen."
Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung
"Größte Herausforderungen bei Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft"
"Das ist ein großer Wurf - da gibt es kein Zurück mehr. Das Politikpaket der EU für die Stabilisierung unseres Klimas ist das bislang umfassendste seiner Art, und es knüpft an vieles an, was die Forschung entwickelt hat. Europa schafft einen zweiten Emissionshandel, nämlich für Transport und Gebäudewärme, zusätzlich zu dem für Strom und Industrie. Das hat fundamentale Bedeutung für unsere gesamte Wirtschaft: fast alle Bereiche werden nun von der CO2-Bepreisung erfasst. Dass die EU jetzt ein robustes System der CO2-Bepreisung geschaffen hat, ist zugleich auch die Voraussetzung dafür, dass sie mit den USA und China wirksam verhandeln kann über mehr internationale Kooperation für die Minderung des Ausstoßes von Treibhausgasen. Wetterextreme weltweit sprechen eine deutliche Sprache: Nur mit entschlossenem Handeln können wir die Kosten und Risiken noch begrenzen, für eine sichere Zukunft für alle."
Ottmar Edenhofer, Klimaökonom, Potsdam Institut für Klimaforschung
"Keine hinreichende Perspektive"
Die heute präsentierten Eckpunkte genügen leider nicht im Ansatz, um Industrieunternehmen, die sich in einem globalen Wettbewerb befinden, eine hinreichende Perspektive für eine erfolgreiche Transformation am Standort Europa zu eröffnen. Als Industrie sehen wir uns klar als Ermöglicher der Klimatransformation. Um die dafür notwendigen massiven Investitionen bewerkstelligen zu können, müssen jedoch – abseits der zum Teil vorgesehenen Finanzierungsunterstützungen – einseitige Belastungen für die europäische Industrie unbedingt vermieden werden.
Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung (IV)
"Zu wenig und zu spät"
Die Schritte gehen zwar in die richtige Richtung, aber zu langsam und zögerlich. Aus Sicht der Wissenschaft ist klar, dass eine Reduktion um mindestens 65 Prozent nötig wäre, um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen und die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Aber selbst das schwache Kompromiss-Ziel wird mit dem vorliegenden Plan kaum zu erreichen sein.
WWF-Klimasprecher Karl Schellmann