Es kommt wohl nicht alle Tage vor, dass ein Landesunternehmen so offensiv gegen das Land vorgeht. Doch seit Monaten brodelt es im Hintergrund zwischen der Landesregierung und dem Erdgasversorger Tigas – einer 86-Prozent-Tochter des Landesenergieversorgers Tiwag. 14 Prozent halten die Innsbrucker Kommunalbetriebe. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie nachhaltig und umweltfreundlich das derzeit von der Tigas angebotene Biogas ist. Schließlich ist die Beimischung bei Gaslieferungen noch relativ gering.
Tirol strebt bekanntlich bis 2050 die Energiewende an und will bis dahin energieautonom werden. Dafür ist die Abkehr von fossilen Energiesystemen und vielmehr der Einsatz von erneuerbaren Energien notwendig. Bei Neubauten und größeren Sanierungen benötigt es schon jetzt eine so genannte Alternativenprüfung. Sie besteht in der Begutachtung der rechtlichen, technischen, ökologischen und wirtschaftlichen Realisierbarkeit des Einsatzes von hocheffizienten alternativen Systemen, die zu dokumentieren und nachzuweisen ist.
Die Tigas bietet ihren Kunden unter der Bezeichnung „Biogas“ aktuell ein Produkt mit einem unterschiedlich hohen Anteil von Biogas an. Sie vertritt die Rechtsansicht, dass ein Vertragsmodell zwischen dem Lieferanten und dem Kunden, in dem als Vertragsgegenstand eine Versorgung mit Biogas zu 100 Prozent bilanziell vertraglich vereinbart wird, ein hocheffizientes alternatives Energiesystem sei. Deshalb müsse eine Alternativenprüfung im baubehördlichen Bewilligungsverfahren nicht mehr durchgeführt werden. Das Herkunftsnachweissystem über das Biomethanregister diene zudem als Dokumentation für die Zuweisung des Biogases an den Kunden.
Bereits seit November wird über diese Frage intensiv zwischen Land Tirol und der Tigas diskutiert, im März präsentierte die Tigas dazu sogar ein Gutachten. Die zentralen Aussagen: Die Versorgung mit Biogas erfülle die Anforderungen an ein hocheffizientes alternatives System, zum anderen handle es sich dabei um Energie aus erneuerbaren Quellen.
"Nachhaltige Versorgung durch Biogas nicht möglich"
Für das Land ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar. Schließlich habe die Baubehörde im Bauverfahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen für das Vorliegen eines hocheffizienten alternativen Systems „auf Dauer“ gegeben sind. Diese Voraussetzungen werden laut Land nicht erfüllt. „Die Beimischung von Biogas führt nur zu einem sehr geringen Biogasanteil von etwa ein bis zwei Prozent (je nach Quellenangabe), auch bei einer Mobilisierung des möglichen Potenzials in Tirol können nur rund zehn Prozent des aktuellen Bedarfs gedeckt werden. Eine nachhaltige Versorgung des Wärmebereichs in Tirol durch Biogas ist nicht möglich“, heißt es hingegen in einer Expertise des Landes.
Außerdem, argumentiert das Land, sei das Vertragsmodell der Tigas auch nicht auf eine nachhaltige Versorgung von Kunden mit Biogas ausgerichtet. Es können nur Einjahresverträge abgeschlossen werden. „Daraus ergibt sich für die Baubehörde, dass – unabhängig von der Nichtzulässigkeit des Vertragsmodells an sich – keine dauerhafte Versorgung gewährleistet werden kann.“
Was die Zukunft betrifft, ist das Land ebenfalls skeptisch: Das vorhandene, noch nicht genutzte Potenzial an biogenen Stoffen (Nahrungskette, Düngemittel, Pflanzen) könne derzeit und auch in Zukunft (Zeithorizont 2030) nur einen geringen Teil des fossilen Erdgases substituieren – rund zehn Prozent auf Basis der Verbrauchswerte von 2019. Die Strategie sollte eher darin liegen, bis zu einem Verbot von Gasheizungen im Neubau ab 2025 nur in Ausnahmefällen neue Gasheizungen nach Durchführung der Alternativenprüfung zuzulassen.