Auf Europas Straßen wurde im Jahr 2020 mit rund 1900 Milliarden Tonnenkilometern fast fünf Mal so viel transportiert wie mit der Bahn. Der Güterverkehr in der EU nimmt auf der Straße deutlich stärker zu als auf der Schiene und in Österreich stieg der Gütertransport im vergangenen Jahrzehnt stärker als im EU-Schnitt. Und der Güterverkehr verursacht im Schnitt mehr als ein Drittel unserer verkehrsbedingten CO2-Emissionen.
Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hat im Rahmen seiner internationalen Fachkonferenz sowohl in Österreich als auch der EU deutlich mehr Tempo bei der Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs gefordert. Batterie-elektrische E-Lkw seien um den Faktor drei energieeffizienter als Lkw mit E-Fuels, wiesen auch im Vergleich mit Diesel-Pkw eine deutlich bessere Gesamt-CO2-Bilanz auf und die Betriebskosten kämen Frächtern deutlich günstiger, wurde am Dienstag bei einer Pressekonferenz argumentiert.
Wie rasch sich emissionsfreie Lkw aber tatsächlich durchsetzen
können, hänge vor allem von den politischen Maßnahmen ab. "Die
Energiewende weg vom Diesel hin zu emissionsfreien Lkw ist neben dem
Vermeiden und Verlagern die dritte zentrale Säule, um den
Güterverkehr auf Klimakurs zu bringen", stellte VCÖ-Experte Michael
Schwendinger fest.
Bei den diskutierten Alternativen - batterie-elektrische Lkw,
Wasserstoff oder E-Fuels - weisen batterie-elektrische Lkw laut VCÖ
die beste Energie- und Klimabilanz sowie die niedrigsten
Betriebskosten auf. Mit österreichischem Strommix würden die
CO2-Emissionen eines E-Lkw inklusive Batterieproduktion im Vergleich
zu Diesel-Lkw bereits derzeit um 55 Prozent niedriger liegen. Bei
100 Prozent Ökostrom sei eine um 85 Prozent bessere
Treibhausgas-Bilanz als bei Diesel-Lkw möglich.
Gemeinsamer Kraftakt erforderlich
Das Problem der Ressourcen-Knappheit beim Bau so vieler Akkus - Stichwort "Seltene Erden" - bleibe zwar bestehen, könne aber laut der Experten mit einem umfassenden Recycling-Plan deutlich entschärft werden.
Auch das Argument der begrenzten Reichweite greift in vielen Fällen nicht mehr. Felipe Rodriguez, Lkw-Experte vom ICCT ("International Council for Clean Transportation") berichtet, dass aus technischer Sicht
emissionsfreie Lkw bereits bald auch lange Strecken übernehmen
können." Der vorwiegende Teil des Schwer-Verkehrs beschränke sich zudem auf kürzere Routen, für den Fernverkehr benötige man entsprechende Lade-Infrastruktur.
Laut Fedor Unterlöhner, Gütertransport-Experte des Brüsseler VCÖ-Dachverbands "Transport & Environment", müssten in Österreich bis 2025 zumindest 400 dieser Ladestationen entstehen, bis 2030 müssten es dann schon 1450 sein, um eine entsprechende Umstellung des Güterverkehrs im Land und für den Transit gewährleisten zu können. Die Politik müsse nun rasch handeln, fordert auch er.
Was den damit einhergehenden Anstieg beim Stromverbrauch betrifft, so sei das grundsätzlich kein Problem, ergänzte Jan Cupal von der Verbund AG. Die Logistiker müssten sich allerdings schon jetzt entsprechende Infrastruktur planen.
Dieselprivileg
Zudem sei die Politik gefordert, Maßnahmen zu setzen, damit sich
Elektro-Lkw rasch durchsetzen können. Dazu zählten neben
dem strategischen Ausbau der Ladeinfrastruktur Ankaufförderungen, die
Umsetzung von emissionsfreien Lieferzonen in Ballungsräumen sowie die Abschaffung der Steuerbegünstigung von Diesel.
Hans-Jürgen Salmhofer vom Bundesministerium für Klimaschutz geht auf diese Forderungen ein: "Die Klimaneutralität 2040 im Verkehr zu erreichen ist ein Jahrhundertprojekt. Gerade der Straßengüterverkehr spielt dafür eine entscheidende Rolle. Umso wichtiger ist es, jetzt für Planungssicherheit für Unternehmen, Frächter und Spediteure zu sorgen." Für Clemens Hartig von der Spedition Gebrüder Weiss (Vorstand im "Council für Nachhaltige Logistik") ist dies von entscheidender Bedeutung. Denn bisher warten die meisten ab, niemand wolle Erstkosten tragen. "Das Zusammenspiel von Förderungen, öffentlichen Investitionen und anderen regulatorischen Maßnahmen ist entscheidend, damit sich ein erfolgreiches System für den klimaneutralen Güterverkehr etablieren kann."
Doch Hartig verweist auf ein weiteres Problem im Zusammenhang mit den dieselbetriebenen Zugmaschinen. Denn wenn heute Lkw mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren angeschafft werden, so blieben diese noch gut 30 Jahre im Einsatz: "Die fahren zehn Jahre in Europa, dann noch zehn Jahre zum Beispiel im Kaukasus und dann nochmal zehn Jahre in Afrika." Damit wären sie also noch im Einsatz, lange nachdem die Wende hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaneutralität geschafft sein sollte.
Matthias Reif