Es mangelte an diesem Samstagnachmittag nicht an Pathos. Von einer „Jahrhundertchance“ sprachen Konferenzteilnehmer und von neuer Hoffnung, die Paris der Welt gebe. Eben hatten sich am Rande der französischen Hauptstadt die Vertreter von 195 Staaten einstimmig auf jenes 25-Seiten-Papier geeinigt, dessen 29 Artikel als Klimaabkommen von Paris berühmt werden sollten. Minutenlanger Applaus brandete im Sitzungssaal auf, nachdem der damalige französische Außenminister Laurent Fabius nach nächtelangen Detailverhandlungen die Einstimmigkeit festgestellt und den Hammer auf den Konferenztisch hatte niedersausen lassen. Fixiert war damit der erste große Erfolg nach Jahren voller UN-Klimakonferenzen am Rande des Scheiterns. Es sollte für Jahre auch der einzige bleiben.
Fünf Jahre später ist an die Stelle der Euphorie Ernüchterung getreten. Zwar haben inzwischen fast alle Staaten das damals beschlossene Abkommen ratifiziert und stehen damit formal in der Pflicht, Beiträge zu leisten, um die Erderwärmung auf „deutlich unter zwei Grad Celsius“ zu beschränken. Doch eben an diesen Beiträgen spießt es sich. In den meisten Staaten fehlt es nach wie vor an politischer Bereitschaft, die nationalen Klimaziele mit ausreichend Maßnahmen zu unterfüttern. Und selbst wenn das geschehen würde, genügen die bisher eingereichten CO2-Reduktionspläne nicht, die Zwei-Grad-Vorgabe zu erreichen. Aus diesem Grund hätten die Staaten beim heurigen 26. Klimagipfel in Glasgow noch einmal ordentlich nachlegen sollen, bevor das Abkommen mit 1. Jänner 2021 wie geplant offiziell wirksam wird. Corona machte diesem Plan einen Strich durch die Rechnung, die Konferenz wurde auf das nächste Jahr vertagt. Als unmittelbarer Ersatz findet heute nur ein symbolisches Online-Treffen statt.
Auch von wissenschaftlicher Seite gibt es wenig erbauliche Nachrichten. Bisher sind die weltweiten Treibhausgasemissionen von Jahr zu Jahr weiter gestiegen, statt zu sinken. Im Vorjahr erreichte der globale Ausstoß laut UN-Umweltprogramm 59,1 Milliarden Tonnen an CO2-Äquivalenten. Ein neuer Rekordwert, der auch auf die zahlreichen Waldbrände 2019 zurückgehen dürfte. Rechnet man nur die reinen CO2-Emissionen aus der Öl-, Kohle- und Gasverbrennung ein, hält die Welt bei einem jährlichen Ausstoß von 37 Milliarden Tonnen – ebenfalls neuer Höchststand (siehe auch Grafik unten). Eine Konsequenz daraus: Die Jahre zwischen 2015 und 2020 waren die sechs heißesten, die jemals gemessen wurden.
Doch es gibt auch Lichtblicke, und diese wurden zuletzt zahlreicher. Der Ausbau erneuerbarer Energiesysteme wächst weltweit immer schneller, weshalb Forscher bereits ein Abflachen der Emissionskurve beobachtet haben. Mit der bevorstehenden Rückkehr der USA ins Pariser Abkommen und den Plänen des künftigen Präsidenten Joe Biden, sein Land bis 2050 klimaneutral zu machen, kehrt auch die Bewegung in die internationalen Verhandlungen zurück. Etliche weitere Staaten taten heuer kund, ihren Klimakurs zu verschärfen. China kündigte im September an, bis 2060 CO2-neutral sein zu wollen, noch vor dem Jahr 2030 sollen die Emissionen zu sinken beginnen. Großbritannien zog vergangene Woche nach und will nun bis 2030 um 68 Prozent weniger Emissionen als 1990 verursachen. Russland und Norwegen haben ihre 2030-Ziele heuer auf minus 70 Prozent erhöht. Die Skandinavier haben zudem angekündigt, ihre Gas- und Ölförderung bis 2050 einzustellen. Und gestern verschärfte auch die EU per Ratsbeschluss ihr 2030-Ziel von minus 40 auf minus 55 Prozent.
Zukunftsfrage für die Zivilisation
Was nach einem fröhlichen Klimabasar klingt, hat einen handfesten Hintergrund. In den Staaten wächst die Sorge, ohne ambitionierte politische Ziele beim erforderlichen Umbau den Anschluss zu verlieren. „Auch in der Finanzwirtschaft steigt der Druck, aus Investitionen in fossile Energieträger auszusteigen“, konstatiert die Wiener Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb. Dabei gehe es nicht nur um den Wirtschaftsstandort. „Es geht schlicht um die Frage, wie es mit uns als Zivilisation weitergehen soll.“