Das Problem wächst in gewaltigem Tempo und ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen. Mehr als 350 Millionen Tonnen Plastikmüll fallen laut OECD-Berechnung weltweit jedes Jahr an, weniger als ein Zehntel davon wird recycelt. Ein weiteres Fünftel wird verbrannt, der große Rest landet im besten Fall auf Deponien oder verteilt sich unkontrolliert über den Planeten. Geht die Entwicklung so weiter, erwartet die OECD bis 2060 eine weitere Verdreifachung des Kunststoffabfalls auf mehr als eine Milliarde Tonnen.

Um eine Lösung für die Misere ringen noch bis Montag Delegierte aus mehr als 170 Staaten in der kanadischen Hauptstadt Ottawa. Es handelt sich um die vierte von insgesamt fünf Verhandlungsrunden unter dem Dach der UNO, die am Ende in ein globales Abkommen gegen die Plastikverschmutzung münden sollen. Doch die Gespräche sind schwierig und die Positionen teilweise so weit auseinander, dass es bei der vorangegangenen Konferenz vor einem halben Jahr in Nairobi nicht einmal möglich war, dem UN-Sekretariat ein Mandat zu erteilen, einen Entwurfstext zu erarbeiten. „Diese Gespräche waren eine Katastrophe, man konnte sich auf fast gar nichts einigen“, sagt Lisa Panhuber, die die Verhandlungen in Ottawa für Greenpeace begleitet.

Der plastifizierte Planet

Dabei herrscht unter den Staaten prinzipiell Einigkeit, dass der wachsende Berg an Kunststoffmüll nicht noch größer werden soll. Ein beträchtlicher Teil des Plastiks landet unkontrolliert in Ökosystemen. Die Forschung geht davon aus, dass rund fünf Millionen Tonnen davon jährlich in die Ozeane gelangen, die Schätzungen gehen hier allerdings auseinander. Unbestritten ist, dass sich die Plastikmengen einerseits in gigantischen Müllstrudeln sammeln und dass andererseits ein noch viel größerer Teil des Alt-Kunststoffs zu Mikroplastikpartikeln zerfällt, die sich über die Wassersysteme und die Atmosphäre bis in die entlegensten Winkel der Erde verteilen. Kein Bereich des Planeten, vom Eis der Antarktis bis zum Grund der tiefsten Meeresgräben, bleibt von der Verseuchung verschont.

Die Folgen für die menschliche Gesundheit sind bisher nur rudimentär erhoben, doch eine steigende Zahl von Untersuchungen legt nahe, dass das Problem – vor allem bei ultrafeinen Teilchen – bisher massiv unterschätzt worden ist. Die Plastikpartikel werden über Nahrung und Atmung aufgenommen und dürften sogar die Blut-Hirn-Schranke problemlos überschreiten, wie Versuche an Mäusen gezeigt haben. Die in den Mikropartikeln enthaltenen Substanzen stehen unter anderem unter Verdacht, Alzheimer und Krebs zu befördern.

Erbitterter Kampf gegen weniger Plastik

Die Frage allerdings, auf welche Weise das Kunststoffproblem entschärft werden soll, teilt die Verhandler in Ottawa in zwei Lager. Während die allermeisten Staaten nicht nur auf besseres Recycling, sondern auch auf ein Zurückfahren der Kunststoffproduktion insgesamt pochen, wehrt sich eine Allianz aus Staaten wie dem Iran, Saudi Arabien, Russland und China erbittert dagegen. Dass es sich dabei primär um jene Länder handelt, die mit Erdöl den Rohstoff für die Kunststoffproduktion liefern, ist kein Zufall. Die USA zeigten sich in der Frage zuletzt zurückhaltend.

Hoffnung auf Einigung: Lisa Panhuber, Greenpeace
Hoffnung auf Einigung: Lisa Panhuber, Greenpeace © Greenpeace / Mitja Kobal

Unter Forschern gilt es als Konsens, dass das Kunststoffproblem nur gelöst werden kann, wenn neben besserer Wiederverwertung auch die produzierte Menge sinkt. Andernfalls werde es weiter nicht möglich sein, mehr als einen kleinen Bruchteil der Altprodukte zu recyceln, sagt Michael Norton von der Dachorganisation der europäischen Wissenschaftsakademien EASAC. Bislang nämlich steigen die jährlich produzierten Kunststoffmengen immer weiter an und hielten zuletzt bei 460 Millionen Tonnen jährlich. 4,5 Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes geht auf die Plastikherstellung zurück – mehr als auf den globalen Flugverkehr. Wird nicht gegengesteuert, erwartet die OECD, dass sich die jährlich neu produzierte Kunststoffmenge bis zur Jahrhundertmitte mehr als verdoppeln wird.

Kurs auf letzte Verhandungsrunde

Greenpeace-Expertin Panhuber hat in den vergangenen Verhandlungstagen dennoch wieder etwas Hoffnung auf eine Einigung geschöpft. „Zumindest ist es jetzt gelungen, dass in Arbeitsgruppen an den Details gefeilt wird. Entscheidend ist, dass bis November ein guter Entwurf vorliegt, der eine klare Reduktion der Plastikproduktion vorsieht.“ Dann steht die letzte, alles entscheidende Verhandlungsrunde auf dem Programm.