Der fortschreitende Klimawandel hat im Vorjahr in Europa deutliche Spuren hinterlassen. Laut dem Klimastatusbericht 2023, den der europäische Copernicus-Klimawandeldienst (C3S) gemeinsam mit der UN-Weltwetterorganisation WMO am Montagmorgen veröffentlicht hat, erlebte Europa – je nach herangezogenem Datensatz – das heißeste oder das (nach 2021) zweitheißeste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn. Die Hitze war jedoch sehr ungleich verteilt: Vor allem in Skandinavien fiel das Jahr etwa kühler als zuletzt üblich aus, wohingegen es weiten Teilen des restlichen Kontinents Erwärmungsrekorde bescherte. Mit all ihren Folgewirkungen sorgten sie laut dem Bericht für ökonomische Schäden in der geschätzten Höhe von 13,4 Milliarden Euro.
Während die gesamte Welt im Schnitt der vergangenen fünf Jahre bislang etwa um 1,3 Grad Celsius über vorindustriellem Temperaturniveau liegt, hält Europa bereits bei 2,3 Grad Erwärmung, die Arktis sogar bei 3,3 Grad. Dieser überdurchschnittlich starke Klimawandel in Europa habe im Vorjahr regionale Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und auch Überflutungen begünstigt, sagt Rebecca Emerton, Forscherin am C3S. Griechenland etwa erlebte im Sommer die größten in der EU jemals registrierten Waldbrände, in Sizilien wurden im Juli 2023 mehr als 48,2 Grad gemessen. 41 Prozent Südeuropas waren in diesem Monat von starkem bis extremem Hitzestress geplagt, also von Hitzeereignissen, die dem menschlichen Organismus Probleme bereiten – ebenfalls ein Rekordwert.
Flüsse traten über die Ufer
Auch Regen fiel – über das Jahr und den ganzen Kontinent gerechnet – um sieben Prozent mehr als üblich. Allerdings kamen die Niederschläge regional vielfach sturzflutartig und trafen teils auf hitzebedingt ausgetrocknete Böden. 16 Prozent der europäischen Flüsse überschritten in der Folge die höchsten Pegel-Warnstufen, vor allem in Slowenien, Kroatien, Serbien und Süditalien kam es zu verheerenden Überschwemmungen. Laut dem Klimabericht waren in Summe 1,6 Millionen Menschen von den Hochwasserereignissen betroffen, 44 Menschen starben.
Wie viele Todesopfer die Hitzewellen im Vorjahr gefordert haben, sei noch nicht erhoben, sagt Andrew Ferrone von der WMO. Fest stehe aber, dass die höher werdenden Temperaturen extreme Hitzewellen öfter und noch intensiver auftreten lassen – mit zunehmend tödlichem Verlauf. „In den vergangenen 20 Jahren ist die hitzebedingte Sterblichkeit in Europa um rund 30 Prozent gestiegen. Die Zahl der Hitzetoten in den überwachten Regionen ist sogar um 94 Prozent gewachsen“, sagt der Klimaforscher. In Zukunft seien in Europa Hitzewarnsysteme deshalb essenziell.
Zehn Prozent Gletscherverlust
Auch die Eisflächen zollen dem Erhitzungstrend Tribut. In den vergangenen beiden Jahren haben die Alpengletscher in Summe zehn Prozent ihrer Masse verloren, seit 1976 gingen dort 850 Kubikkilometer Eis verloren. Der letzte (leichte) Netto-Zuwachs an Gletschermasse im gesamten Alpenraum datiert aus dem Jahr 2001.
Über die Gründe für diese Entwicklung herrscht für die Berichtsautoren kein Zweifel. „Entscheidender Treiber für die immer höher werdenden Temperaturen ist die steigende Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre“, sagt Copernicus-Klimaforscherin Samantha Burgess. Als zusätzlicher Faktor kommt seit dem Vorjahr das natürliche Klimaphänomen El Niño hinzu, das gemeinsam mit der klimawandelbedingten Erwärmung auch die Temperaturen der Ozeane auf nie dagewesene Höhen getrieben hat. Burgess sieht Anzeichen dafür, dass auch der heurige Sommer in Europa außergewöhnlich heiß ausfallen könnte.
Mehr Erneuerbare beim Strom
Der Klimabericht hat allerdings auch Positives zu vermelden. So ist der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der europäischen Stromerzeugung im Vorjahr von 36 auf 43 Prozent geklettert. Das ist der bisher mit Abstand höchste Wert. Bis 2030