An Pathos wurde diesmal in Straßburg nicht gespart. „Es ist eine Nachricht an unsere Partner rund um die Welt, dass Europa weiterhin den Weg globaler Klimaambition anführt“, sagte Wopke Hoekstra am Dienstagnachmittag. Gemünzt ist die Aussage des EU-Klimakommissars auf die eben präsentierte Empfehlung der Kommission, Europas Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent unter das Niveau von 1990 zu bringen. Erst ein Drittel dieses Weges ist bislang geschafft, der Rest muss innerhalb der nächsten 16 Jahre erfolgen. Der weitreichende Vorschlag der Kommission hatte sich in den vergangenen Tagen bereits abgezeichnet.
Brüssel füllt damit, wie im EU-Klimagesetz vorgesehen, die letzte Lücke im Reigen der europäischen Klimaziele. Bereits länger fixiert ist, dass der europäische Treibhausgasausstoß bis 2030 um 55 Prozent sinken soll. Für das Jahr 2050 ist, einhergehend mit den Klimazielen von Paris, die „Netto-Null“ – also Klimaneutralität – vorgesehen. Ein eigens eingerichtetes wissenschaftliches Beratergremium hatte der Kommission bereits im Vorjahr empfohlen, als Zwischenziel für 2040 eine Emissionssenkung von 90 bis 95 Prozent anzupeilen. Dem ist die Brüsseler Behörde nun weitgehend gefolgt. Der Vorschlag werde ab sofort zur Diskussion gestellt, hieß es am Dienstag. Den gesetzlichen Rahmen für die neuen Ziele soll erst nach der EU-Wahl im Sommer die nächste Kommission schaffen.
170 Milliarden Euro an Klimaschäden
Bereits heute verursache der Klimawandel häufigere und stärkere Extremwetterereignisse, heißt es in der Begründung der Kommission. Der ökonomische Schaden daraus habe sich in den vergangenen fünf Jahren in Europa auf 170 Milliarden Euro belaufen. Die noch zu erwartenden Verluste würden schwerer wiegen als die Kosten des konsequenten Klimakurses, der den europäischen Unternehmen auch Investitionssicherheit gebe.
Voraussetzung für die Umsetzung der neuen Ziele ist allerdings, dass die Staaten auch ihre Verpflichtungen für das Jahr 2030 erfüllen. Bislang liegt Europa nicht auf Zielkurs, auch im Österreichischen „Nationalen Klima- und Energieplan“ (NEKP) klafft bis dato eine Lücke von 13 Prozentpunkten für das 2030-Ziel. Zudem müsste Europas Energieversorgung in den Jahren nach 2040 vollständig dekarbonisiert sein, ebenso der Verkehrssektor, für den die Kommission eine Mischung aus technischen Lösungen wie der Elektromobilität und CO₂-Bepreisung vorschlägt.
280 Millionen Tonnen CO₂ speichern
Parallel dazu setzt Brüssel allerdings auch verstärkt auf CO₂-Abscheidung und -Speicherung. Bis 2030 soll die EU eine CO₂-Speicherkapazität von jährlich 50 Millionen Tonnen aufbauen. Bis 2040 soll die Menge auf 280 Millionen Tonnen steigen, bis 2050 auf 450 Millionen Tonnen, heißt es in der parallel zu den Klimazielvorschlägen vorgelegten „Industrial Carbon Management Strategy“ der EU-Kommission. Zum Vergleich: Die gesamten Emissionen der EU belaufen sich derzeit auf rund 3,5 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente. Zur Anwendung kommen sollen die technischen Maßnahmen allerdings möglichst in jenen Bereichen, in denen die Emissionen auf andere Art kaum zu reduzieren sind, etwa in der Zementindustrie.
Und noch eine Tür will die EU weiter als bisher aufstoßen: Vorgeschlagen wird eine beschleunigte Entwicklung sogenannter „Small Modular Reactors“. Dabei handelt es sich um Atomreaktoren im kleinen Maßstab, die als wesentlich sicherer und flexibler gelten als die althergebrachten großen Meiler.
Etwas zurückgesteckt hat die Kommission allerdings bei den Vorschlägen zur Landwirtschaft. Während in einem vor wenigen Tagen öffentlich gewordenen Entwurf, der der Kleinen Zeitung vorliegt, noch die Rede davon war, die agrarischen Nicht-CO2-Emissionen um 30 Prozent zu senken, ist davon im nun vorgelegten Papier nichts mehr zu lesen. Die jüngsten Bauernproteste dürften dabei eine Rolle gespielt haben.