Es ist kurz nach 11 Uhr Ortszeit, als im großen Plenarsaal des Verhandlungsgeländes Applaus aufbrandet. Die Delegierten erheben sich von ihren Sitzen, eben ist auf der 28. UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai der finale Beschluss gefallen. Er sieht unter anderem vor, womit zuletzt viele nicht mehr gerechnet hatten: Es soll eine Abkehr von den fossilen Energieträgern eingeleitet werden – eine Festlegung, wie sie bisher noch nie in einem COP-Schlussdokument möglich gewesen war. Allerdings konnten sich die EU und zahlreiche andere Staaten nicht mit der ursprünglichen Forderung durchsetzen, den weltweiten „Ausstieg“ aus der Fossilenergie samt fixem Datum festzuschreiben.
Die Nacht davor hatten die Delegierten ohne Pause durchverhandelt. Die Konferenz hätte eigentlich bereits am Dienstag enden sollen, war aber wegen Uneinigkeit über den Umgang mit fossilen Energieträgern verlängert worden. 24 Stunden später war es nun so weit. Der Beschlusstext, der von allen der fast 200 Staaten akzeptiert worden ist und künftig die Bezeichnung UAE-Consensus tragen soll (UAE steht für United Arab Emirats – Vereinigte Arabische Emirate), ist schärfer formuliert als der viel kritisierte Entwurf, den die emiratische COP-Präsidentschaft noch am Montag vorgelegt hatte. So ruft das Dokument die Staaten nun zu einem „Übergang“ weg von fossilen Energieträgern auf, während die Vorgängerversion nur vorgeschlagen hatte, die Staaten „könnten“ (neben anderen Optionen) die Nutzung und die Förderung fossiler Energie reduzieren. Die Wortwahl gilt als entscheidend für die Schlagkraft des Beschlusses, weshalb von den Delegierten um jede einzelne Formulierung gerungen worden war.
Kommentar
Klimaneutralität bis 2050
Weiters heißt es im Text, der Übergang solle auf eine gerechte und geordnete Weise geschehen, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Zudem werden die Staaten aufgerufen, die weltweite Kapazität an erneuerbarer Energie bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienzrate zu verdoppeln. Beschleunigt werden sollen auch Technologien wie CO₂-Abscheidung und Wasserstoffproduktion – speziell für Sektoren, die sonst schwierig zu dekarbonisieren wären. Das 1,5-Grad-Ziel soll durch „tiefgreifende, rasche und nachhaltige“ Emissionsreduktion in Reichweite bleiben. Möglich werden soll das auch durch eine „substanzielle Reduktion“ von Methan-Emissionen bis 2030, wobei der Text hier keine konkreten Ziele nennt.
Fixiert wurde auch der neu geschaffene Fonds für klimawandelbedingte Schäden („Loss and Damage“), der speziell den schwächsten Entwicklungsländern zugutekommen sollen. In Summe konnte der Topf mit vorerst rund 700 Millionen Euro gefüllt werden – freilich nur ein Bruchteil der tatsächlich bereits anfallenden Schadenssummen.
Gewessler: „Riesiger Schritt nach vorne“
COP-Präsident Sultan Ahmed Al-Jaber sprach im Plenum von einem „gut ausbalancierten Beschluss im Einklang mit der Wissenschaft“, EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra zeigte sich erleichtert, dass „wir endlich gemacht haben, was lange, lange überfällig war“. US-Delegationsleiter John Kerry ortete „Grund für Optimismus“. Er versprach, die USA und China würden die eigenen Klimastrategien entsprechend nachschärfen und rief auch die übrigen Staaten dazu auf. Auch bei Österreichs Verhandlungschefin, Klimaministerin Leonore Gewessler, überwiegt die Freude: „Die Welt verabschiedet sich von den fossilen Energien. Das ist ein riesiger Schritt nach vorne.“ In den nächsten Jahren sei die Staatengemeinschaft daran zu messen, ob entschlossen genug gehandelt werde.
Der WWF reagierte in einer ersten Stellungnahme zwiegespalten. Es sei ein Fortschritt, dass fossile Energieträger erstmals beim Namen genannt würden. „Angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise reicht dieser Text aber nicht aus, einen Wendepunkt in der internationalen Klimapolitik zu markieren“, so WWF-Klimasprecher Thomas Zehetner. Ähnlich die Reaktion von Greenpeace: Der Text sei nicht jener, den die Welt brauche und verdiene, doch er beinhalte zumindest wichtige Verbesserungen. Beide Organisationen warnen allerdings vor „Schlupflöchern“, die der Beschluss in Bezug auf Kohlenstoff-Speicherung und Atomkraft offen halte.
Unzufrieden zeigte sich die Vereinigung der kleinen Inselstaaten (AOSIS). Der Text bilde nicht ab, was erforderlich sei, eine Klimawende einzuleiten, kritisierte eine Delegierte. Gefordert hatte die Gruppe unter anderem eine Festschreibung, wonach die globalen Emissionen spätestens im Jahr 2025 gipfeln sollen.
Harte Debatten im Vorfeld
Dubais COP-Präsidentschaft hatte die Konferenz am Dienstagvormittag trotz straffen Zeitplans verlängern müssen. Hauptgrund war der Streit unter den Staaten, ob im Beschlusstext ein schrittweises Aus („phase out“) für fossile Energieträger enthalten sein soll. Das Fehlen dieses Punktes in einem Textentwurf von Montagabend hatte unter anderem die EU-Staaten, die USA, Kanada und die Vereinigung der kleinen Inselstaaten (AOSIS) veranlasst, das vorliegende Papier abzulehnen. Auf der anderen Seite hielten Staaten wie Saudi-Arabien, Russland, China, Indien, Iran oder Irak beharrlich an ihrem Standpunkt fest, ein geplantes Ende des Verbrennens fossiler Energieträger nicht hinnehmen zu wollen.