Der Tod eines Afroamerikaners nach einem Polizeieinsatz im US-Bundesstaat Georgia hat die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA befeuert. In der Nacht auf Sonntag stand ein Schnellrestaurant in der Hauptstadt Atlanta in Flammen - am Freitagabend hatte ein Polizist davor den 27-jährigen Rayshard Brooks niedergeschossen.
Örtliche Medien berichteten, es seien mindestens 36 Menschen bei Protesten festgenommen worden.
"Weniger klar"
Der Polizeieinsatz gegen Brooks lässt sich nach Einschätzung des US-Senators Tim Scott weniger einfach bewerten als die Tötung des Afroamerikaners George Floyd. Diese Situation ist sicherlich weitaus weniger klar als die, die wir mit George Floyd und mehreren anderen im Land gesehen haben", sagte der Republikaner am Sonntag dem Sender CBS News. Die Frage sei, was der Polizeibeamte hätte tun müssen, nachdem der Verdächtige am Freitagabend eine Elektroschockpistole auf ihn gerichtet hatte. Scott betonte die Notwendigkeit für mehr Training für Polizisten, damit diese in Sekundenbruchteilen solche Entscheidungen treffen könnten.
Der Tod des Afroamerikaners Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis (Minnesota) am 25. Mai hat die USA aufgewühlt und eine hitzige Debatte über Polizeigewalt und Rassismus entfacht. Dass es nach dem Polizeieinsatz in Atlanta weniger als 24 Stunden später bereits personelle Konsequenzen gab, dürfte auch damit zu erklären sein. Polizeichefin Erika Shields trat zurück.
Der Beamte, der geschossen hatte, wurde entlassen. Bürgermeisterin Keisha Lance Bottoms hatte dies zuvor gefordert und offen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes angemeldet: "Ich glaube nicht, dass dies eine gerechtfertigte Anwendung tödlicher Gewalt war." Der zweite Beamte wurde vorläufig suspendiert.
Die zwei Polizisten waren am späten Freitagabend zu einem Schnellrestaurant gerufen worden. Dort sei ein Mann in der Autoschlange in einem Wagen eingeschlafen und habe andere Fahrzeuge behindert, erklärte das Kriminalamt GBI in Georgia. Einen anschließenden Nüchternheitstest habe der 27-Jährige, der in dem Auto saß, nicht bestanden. Er sollte in Gewahrsam genommen werden. Dann kam es zum Kampf. Zeugen berichteten den Ermittlern vom GBI, der Mann habe einem der Polizisten dabei seine Elektroschockpistole (Taser) abgenommen.
Dann spielte sich eine kurze Verfolgungsjagd ab - zu Fuß, auf dem Parkplatz: GBI-Chef Vic Reynolds erklärte, auf Videoaufnahmen sei zu sehen, dass der Mann vor den Beamten flüchte, sich dann mit dem Taser in der Hand zu ihnen umdrehe und der Polizist daraufhin seine Dienstwaffe ziehe und schieße. US-Medien zeigten verschiedene Videos von der versuchten Festnahme - die "New York Times" rekonstruierte den Ablauf. Der Beamte gab demnach drei Schüsse ab.
Der 27-Jährige starb dem GBI zufolge in einem Krankenhaus nach einer Operation. Die Behörde sagte zu, rasch alle Fakten zu sammeln und diese der Staatsanwaltschaft übermitteln. GBI-Chef Reynolds warnte vor vorschnellen Schlüssen - und verwies auf die aufgeheizte Stimmung im Land. "Ich möchte nicht, dass irgendjemand unter irgendwelchen Umständen zu irgendeiner Form von Urteil eilt, was in diesen Fällen auf beiden Seiten sehr einfach ist", sagte er. Den Ermittlern sei bewusst, dass in solchen Fällen "enorme Gefühle" mit im Spiel seien und dies durch die derzeitige Situation verstärkt werde. Die Staatsanwaltschaft müsse beurteilen, ob es gerechtfertigt gewesen sei, dass der Polizist geschossen habe.
In einer Erklärung zu ihrem Rücktrittsangebot schrieb die bisherige Polizeichefin Shields: "Es ist an Zeit für die Stadt, voranzukommen und Vertrauen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Gemeinden aufzubauen, denen sie dienen." Sie war nach dem Tod von George Floyd für ihre klare Haltung gegen Polizeigewalt und ihr Durchgreifen gegen Beamte in Atlanta gelobt worden, denen Übergriffe vorgeworfen worden waren.
Die Anwälte der Familie des getöteten Brooks sagten, die beteiligten Polizisten hätten andere Optionen gehabt, als ihn niederzuschießen. Ein Taser sei keine tödliche Waffe. "Wenn der Beamte ein bisschen einfühlsamer und weniger ängstlich gewesen wäre, hätten wir wahrscheinlich keinen toten Mandanten zu beklagen", sagte der Jurist Justin Miller. Der 27-Jährige habe vier Kinder gehabt. Am Samstag habe er den Geburtstag seiner kleinen Tochter feiern wollen.
Nach dem Tod gab es nach Medienberichten nicht nur vor dem Schnellrestaurant in Atlanta Proteste. So hätten Demonstranten einen nahen Highway blockiert und dort für ein Verkehrschaos gesorgt. Die Polizei setzte nach CNN-Angaben auch Tränengas und Blendgranaten gegen die Protestierenden ein.
Seit dem Tod Floyds stehen Polizeigewalt und Rassismus im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte in den USA. Zwischenzeitlich kam es bei Protesten in mehreren Städten zu Bränden und Plünderungen, in einigen Orten wurden Ausgangssperren erlassen. US-Präsident Donald Trump hatte das Recht auf friedliche Proteste wiederholt betont, aber auch eine harte Linie der Einsatzkräfte verlangt. Zudem spricht er sich für eine Stärkung der Polizeibehörden aus. Bei den Protesten finden dagegen zunehmend Forderungen nach einem "Defunding" der Polizei und einer Umwidmung der Gelder für soziale Projekte zunehmend Widerhall.
Vor drei Wochen hatte ein weißer Polizeibeamter sein Knie fast neun Minuten lang in den Nacken des am Boden liegenden Floyd gedrückt - trotz dessen wiederholter Bitten, ihn atmen zu lassen. Ein Video der Tötung ist mittlerweile weltbekannt. Seine Worte "I Can't Breathe" ("Ich kann nicht atmen") sind zum Inbegriff der Ungleichbehandlung geworden. Der Polizist und drei an dem Einsatz beteiligte Kollegen wurden entlassen, festgenommen und angeklagt. Floyd war wegen des Verdachts, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben, festgenommen worden.
Die Demonstrationen sind bereits seit Tagen weitgehend friedlich, reißen aber nicht ab. Auch am Wochenende gingen vielerorts wieder zahlreiche Menschen auf die Straßen. Am Sonntag wollten Demonstranten in Washington auch den Geburtstag von Trump zum Anlass nehmen, um für die Abwahl des Präsidenten bei der Wahl am 3. November zu werben. Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt gab es auch außerhalb der USA, etwa in Australien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland.