Mehr als 41 Grad in Rom, 43 auf Mallorca, 45 in Katalonien. Eine große Hitzewelle hat Europa fest im Griff und bringt viele Menschen an ihre Grenzen. Auch in Österreich sind Temperaturen über 30 Grad keine Seltenheit mehr. In Deutschland wird nun über die Idee einer verlängerten Mittagspause heftig debattiert, die in den Sommermonaten gegen die Hitzebelastung am Arbeitsplatz helfen soll. Der Vorschlag des Bundesverbands der Ärzte und Ärztinnen des öffentlichen Gesundheitsdienstes findet einige Zustimmung.
Gefordert wird ein Konzept für die heißen Sommermonate, wo man schon früh morgens mit der Arbeit anfängt und in den heißesten Stunden des Tages zwischen 14 und 17 Uhr Siesta macht, bevor man in den kühleren Abendstunden die Arbeit wieder aufnimmt. Auch der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien spricht sich für die Einführung der Siesta aus. „Medizinisch gesehen ist es überhaupt keine Frage, dass man eine Pause einlegt.“ Steigen die Temperaturen über 33 Grad, nehmen Konzentrations- und Leistungsfähigkeit ab und das Unfallrisiko steigt. Mit einer Siesta könnte man den sonnigsten und heißesten Stunden des Tages entkommen, die für den Organismus ohnehin belastend sind. Wer draußen arbeitet, entkommt dadurch auch der starken Mittagssonne.
Doch es gibt auch Gegenargumente. Die praktische Umsetzung sei nämlich alles andere als leicht, so Hutter. Auch die Arbeiterkammer steht der Einführung einer längeren Mittagspause kritisch gegenüber. „Wir halten es nicht für sinnvoll“, so Sybille Pirklbauer, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik der Arbeiterkammer Wien. „Geteilte Dienste“ seien für die Beschäftigen schwierig, weil „diese Zeit dazwischen überhaupt nicht für sie nutzbar ist“. Vor allem Pendler, die eine längere Strecke zur Arbeit fahren, können während einer Siesta nicht einfach schnell nach Hause fahren und müssten daher noch mehr Zeit am Arbeitsort verbringen. Weiters würde der Tag „komplett zerrissen“ werden. „Es ist auch keine Entspannung, wenn man am Abend noch einmal in die Arbeit muss“, so Pirklbauer.
Durch die mehrstündige Pause in der Mittagszeit würde ein Acht-Stunden-Arbeitstag bis 19 oder 20 Uhr dauern. Für Hobbys und privates Leben bleibt kaum mehr Zeit. Auch mit der Vereinbarkeit bei der Kinderbetreuung wird es schwierig. In manchen Berufsbranchen ist die Einführung des „Siesta-Konzepts“ rechtlich nicht umsetzbar. So kann in der Baubranche nicht früher mit dem Arbeiten begonnen werden, weil es gegen das Lärmschutzgesetz verstoßen würde.
Während in Deutschland die Einführung einer Siesta überlegt wird, schafft Spanien die verlängerte Mittagspause nach und nach ab. In den Städten gibt es immer mehr Büros mit Klimaanlagen, die eine Siesta nicht mehr unbedingt notwendig machen. Durchaus aktuell ist die ausgedehnte Mittagspause noch in der Landwirtschaft.
In Österreich gibt es derzeit nur für die Baubranche hitzefrei. Ab 32,5 Grad über mehr als drei Stunden kann auf freiwilliger Basis freigegeben werden. Rechtsanspruch gibt es allerdings keinen. Oftmals entscheidet der Arbeitgeber je nach Auftragslage. In Büros schaffen derzeit Klimaanlagen und Ventilatoren Abhilfe. Auch eine Aufhebung der teils strikten Kleiderordnung in manchen Branchen könnte helfen, denn eine luftigere und leichtere Kleidung nützt gegen Hitze.
Fest steht jedoch, dass die Zukunft mit den immer häufigeren Hitzewellen und steigenden Temperaturen neue Konzepte in der Arbeitswelt verlangt. „Die Arbeitsorganisation in unserer Gesellschaft muss neu gedacht werden“, fordert Hutter.
Katharina Feigl