Linz hat in der heimischen Sprechgesangsmusiklandschaft eine Sonderstellung. Spätestens seit die Silbendrechsler von Texta Sprachbarrieren eingerissen haben, galt die Stadt an der Donau lange als (inoffizielle) Hip Hop-Hauptstadt Österreichs. Nicht, dass MCs und DJs anderswo nicht auch den Alphatierchenanspruch gestellt haben, aber die feinste Klinge führten häufig die Linzer. Rappen in Mundart, stets mit dem Anspruch einen eigenen Stil zu pflegen und den aktuellen Trends nicht zu sehr nachzuhecheln.
Einer, der dieses Image mit aufgebaut hat, ist Kayo. Er war Teil des MC-Vierspänners "Markante Handlungen", hat sich gemeinsam mit DJ Phekt aber schnell auf eigene Pfade begeben und viele Male bewiesen, dass es nur das raffinierteste Reimgut zum Auditorium schafft. Der Spaß an der Sprache stand stets im Vordergrund.
Im Jahr 2011 hatte er sein erstes Soloalbum "Des sogt eigentlich ois" veröffentlicht, heute kommt Album Nummer zwei ("Reunion") auf Tonträger Records. Die Single "Himbeeren" kann man seit dem 13. März auch laut in der "Bim hern" (mit Schutzmaske und Respektabstand) - ein Song, in dem ausschließlich geschüttelreimt wird. Und wie!
Manchmoi wü i a Liad mochn//
Und kann dann drüber nur miad lochn//
Kann a sein, dass i an Hit bau//
wann i mi hinter an Beat hau//
Zeilen wie diese lassen hoffen, dass es zwischen AutoTunes, Machogehabe und Medikamentenmissbrauch im deutschsprachigen Hip Hop noch Platz gibt - und auch Bedarf - für sprühenden Wortwitz und Zeilen mit Anspruch. Kayo erinnert einmal mehr, dass Finesse über Fäkalsprache steht und das Gehirn auch im Hip Hop der wichtigste Muskel bleibt. Die Linzer Schule lebt!
"A Linzer erkennt a Punchline wie a Winzer an Panschwein!"
Wie lange hast Du gebraucht, um all die Schüttelreime für die Nummer "Himbeeren" zu finden?
Kayo: Überraschend kurz, ich hatte letzten November die Idee für einen Schüttelreim-Adventkalender - so ist der Song dann entstanden. Auch die Ideen für die meisten anderen Nummern kamen mir im Herbst 2019, da hatte ich eine extrem produktive Phase. Für das erste Album habe ich damals viel länger gebraucht. Die Hälfte der Beats habe ich aber schon in den vergangenen Jahren gemacht.
Du behandelst auf dem Album auch das Ende deiner langjährigen Beziehung. War das ein Auslöser für die neu gewonnene Inspiration?
Ich denke schon. Mein erstes Album entstand am Beginn dieser Beziehung, jetzt bin ich wieder in einer neuen. Das kann wohl kein Zufall sein. In solchen Zeiten werden wohl Dinge an die Oberfläche gespült, die solche Prozesse auslösen. Aber es ist mir auch wichtig, keinen Zeitdruck zu haben, wie zum Beispiel bei einem großen Label.
Wann ist ein Song für Dich fertig? Ist diese Frage im Hip Hop einfacher zu beantworten?
Es gibt schon recht klare Strukturen, wie ein Hip-Hop-Song aufgebaut ist. Das Schema ist simpel, aber ich habe mich auf dem Album bemüht, dieses möglichst aufzubrechen. Von den neuen Liedern hat eigentlich nur eines einen klassischen Aufbau. Meistens spüre ich es einfach, wenn ein Song fertig ist. Manchmal gibts auch Input von Leuten, die ich gut kenne und denen ich vertraue.
Wer hat das diesmal getan?
Flip von Texta ist ein langjähriger Förderer, dem ich auch meinen ersten Auftritt im Jahr 1998 verdanke, bei einer Konzertreihe, die er veranstaltet hat. Dann haben wir ein paar Demos aufgenommen und ich war bei Tonträger Records, wo auch Texta ist. Deshalb war auch jetzt klar, dass er fünf Songs mitproduziert. Das geschah auch in seinem Studio in Linz. Seine Erfahrung und seine Skills waren auch diesmal ein großer Faktor.
Ist Linz (wieder) ein guter Nährboden für österreichischen Hip Hop?
Linz war einmal die Hip-Hop-Hauptstadt Österreichs. Das muss man heute etwas relativieren. Heute ist die Szene breiter aufgestellt. Aber dort habe ich natürlich meine musikalische Heimat - obwohl ich seit 20 Jahren in Wien lebe.
Wie viel kannst Du zum Beispiel mit der Musik von Kreiml und Samurai anfangen?
Ich respektiere die Jungs. Zum Teil wurden wir sicher ähnlich geprägt. Sie sind ihrer Linie treu geblieben und kontinuierlich größer geworden. Das verfolge ich auch mit Interesse. Wahrscheinlich haben wir andere Zielgruppen, aber gerade die Vielfalt machte Hip Hop immer schon aus. Zugleich ist Hip Hop immer noch eine Jugendkultur und ich frage mich, was ich noch beizusteuern habe in meinem Alter. Ich denke, Authentizität ist mir heute noch wichtiger. Und die ist grade im Hip Hip ja nicht verkehrt.
Heute kommt das Album heraus. Welche Erwartungshaltung hast Du?
Ich versuche mich von solchen Erwartungen zu lösen. Natürlich freue ich mich, wenn viele die Musik hören. Einige der neuen Songs sind poppiger geraten. In diese Richtung wollte ich schon länger gehen, das habe ich mir nun erfüllt. Da bin ich auch auf Reaktionen gespannt.
Ist das eine Alterserscheinung, mehr in Richtung Pop zu gehen?
Ich habe früher gerne komplexe und vertrackte Texte gschrieben, das war quasi mein Markenzeichen und das war mir auch wichtig. Aber eine Affinität zum Pop, zu mehr Einfachheit war auch früher schon da. Vielleicht kann ich das jetzt mehr zulassen.
Corona-Song ist keiner dabei?
Einer meiner Labelkollegen meiner Kombo "TTR Allstars" hatte mal kurz die Idee, einen Anti-Coronasong-Song zu machen, aber selbst das war uns dann zuviel Corona. Aber ich habe zur Nummer "Ka Moßstob" ein kollaboratives Video gemacht - während des Lockdowns.
Gibts noch Musiktipps von Kayo?
Ich bleib mal in Österreich. In Tirol tut sich grade viel, das Label Duzz Down San ist da eine gute Anlaufstelle. Die letzten Releases meiner Labelkollegen Staummtisch oder Average sollte man auch mal ausgecheckt haben. Von den jüngeren Rappern finde ich z.B. Bibiza ganz cool.
Matthias Reif