Für die katholische Piusbruderschaft zwingt die Corona-Krise die Menschen zum Umdenken. "Ich glaube, Gott wollte uns eine Lektion erteilen und ruft uns auf, unsere Illusionen aufzugeben und zur Realität zurückzukehren", sagte Pater Stefan Frey, der die konservative Bewegung in Österreich vertritt, im APA-Interview. Die Einschränkungen für die Kirchen schießen für ihn aber über das Ziel hinaus.
"Unsere Welt hat Gott seit Jahrzehnten ignoriert und auf die Seite gestellt. Der Glaube an Gott ist weithin durch den Glauben an die unbegrenzten Möglichkeiten der Wissenschaft und Technik ersetzt worden", meint Pater Frey und weiter: "Man erlag der Illusion, ohne Gott auskommen zu können." Nun komme ein winzig kleines Virus, das die ganze Welt in ihrer stolzen Selbstsicherheit in ihren Grundfesten erschüttert.
Die Priesterbruderschaft St. Pius X. feiert im Jahr 2020 ihr 50-jähriges Bestehen. Dieses fällt ausgerechnet Mitten in die Krise. Für Frey sind die staatlichen Maßnahmen nachzuvollziehen, wie er sagt: "Selbstverständlich muss alles getan werden, um der weiteren Ausbreitung des Coronavirus vorzubeugen." Für die Kirchen hätte man allerdings ähnlich wie bei den Supermärkten eine Regelung finden können, bei denen auf die Vernunft der Menschen vertraut wird.
Krankenkommunion mittels "Pestlöffel"
Die Kirche habe in Epidemiezeiten Kranke und Sterbende nie alleine gelassen und Kranke von Gesunden getrennt. Auch die Priester seien gut geschützt worden, etwa bei der Krankenkommunion mittels sogenannter "Pestlöffel". "Wir würden uns freuen, wenn in der jetzigen Krise die Bischöfe ähnlich handeln würden. Dass dies leider weithin nicht geschieht, zeugt von einer verhängnisvollen Glaubensschwäche", so Frey. Körperliche Gesundheit sei hier wohl wichtiger ist als das Heil der Seelen.
Derzeit erlebe man "einen gigantischen Kurssturz der irdischen Werte und Sicherheiten", ist sich Frey sicher. "Wir wissen zwar um die Vergänglichkeit aller Dinge, aber allzugerne verdrängen wir dies, und jetzt sind wir brutal damit konfrontiert. Zu sehr hat man dem Materialismus, der Vergnügungssucht und Profitgier gefrönt, und jetzt ist man damit gegen die Wand gefahren." Er hofft, dass Glück wieder in der selbstlosen Nächstenliebe zu finden sein wird.
Papst Franziskus kann Frey "nur beglückwünschen", dass er zum Gebet aufruft und der Menschheit den Segen Gottes spendet. Ebenso positiv wertet er die Erteilung besonderer Ablässe und die Erleichterung der Generalabsolution. Überhaupt wird die Annäherung des Heiligen Vaters an die Piusbruderschaft sehr begrüßt - "wir können allerdings nicht feststellen, dass diese neue Akzentsetzung des Papstes sich auf den Dialog, der nach wie vor weitergeführt wird, spürbar ausgewirkt hat".
Zweites Vatikanisches Konzil: "Irrweg"
Den Zulauf für charismatische Bewegungen sieht Frey als Reaktion darauf, "was seit einem halben Jahrhundert in der katholischen Kirche geschehen ist". Das Zweite Vatikanische Konzil habe einen Prozess der Anpassung an die Welt in Gang gesetzt, was ein "verhängnisvoller Irrweg" sei. "Denn er führte zu einer Relativierung sämtlicher Glaubenswahrheiten und moralischer Werte. Alles wurde infrage gestellt und der Beliebigkeit anheimgestellt."
Auch der Ruf nach der Aufhebung des Pflichtzölibats ist für Frey eine Folge der Verweltlichung der Kirche. Die Überlegungen griffen aber zu kurz: "Denn die protestantischen Gemeinschaften, die keinen Zölibat kennen, kämpfen mit ähnlichen Problemen." Der tiefste Grund des Nachwuchsmangels liegt für Frey in einer "existenziellen Identitätskrise, in der sich das Priestertum seit Jahrzehnten befindet". Das Ideal des Priestertums müsse stattdessen wieder "zum Leuchten" gebracht werden.
Das Jubiläumsjahr begeht die Gemeinschaft unter anderem mit Symposien, Festgottesdiensten sowie nationalen und regionalen Wallfahrten. Den Höhepunkt der Feierlichkeiten bildet eine internationale Wallfahrt nach Lourdes am letzten Oktoberwochenende, wozu etwa 20.000 Teilnehmer erwartet werden.