Noch immer ist nicht abschließend geklärt, was Long Covid auslöst. Doch mehr als zweieinhalb Jahre nach Pandemiebeginn schärft sich das Bild rund um die Folgeerkrankung nach einer Covid-19-Infektion – vor allem im Hinblick auf die längerfristigen, gesundheitlichen Auswirkungen von Sars-CoV-2. Eine Forschungsgruppe der Universität Oxford rund um Maxime Taquet und Paul Harrison hat das Risiko evaluiert, innerhalb von zwei Jahren nach einer Covid-19-Infektion gesundheitliche Folgeschäden zu entwickeln. Veröffentlicht wurde die umfangreiche Untersuchung, die Gesundheitsdaten von 1,25 Millionen Menschen analysiert, im Fachjournal "The Lancet Psychiatry".
Bis zu zwei Jahre erhöhtes Risiko nach Covid-19
Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass eine Covid-19-Erkrankung das Risiko, an Demenz zu erkranken bzw. Psychosen und den sogenannten "Brain Fog" zu entwickeln, erhöht. Dies gilt für den Zeitraum von zwei Jahren nach einer Infektion, als Kontrollgruppe wurden Patientinnen und Patienten ausgewählt, die von anderen Atemwegserkrankungen genesen waren. Bei dem Abgleich achteten die Forscher darauf, dass die Gruppe der Covid-19-Patienten und die Kontrollgruppe im Hinblick auf Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft und andere Merkmale sehr ähnlich waren. Die Covid-19-Erkrankungen waren zwischen Jänner 2020 und April 2022 diagnostiziert worden, die Daten stammen aus den USA, Großbritannien, Spanien, Bulgarien, Australien, Indien, Malaysia und Taiwan.
Vor allem Betroffene über 65 Jahren wiesen das oben beschriebene erhöhte Risiko auf. Demnach entwickelten 4,5 Prozent der Covid-19-Genesenen in diesen zwei Jahren nach einer Infektion eine Demenzerkrankung, in der Kontrollgruppe waren es 3,3 Prozent. In der jüngeren Altersgruppe von 18 bis 64 Jahren waren es kognitive Defizite, auch unter "Brain Fog" bekannt, die gehäuft detektiert wurden. Hier waren 6,4 Prozent der Covid-19-Genesenen betroffen im Vergleich zu 5,5 Prozent der Kontrollgruppe.
Epilepsie-Risiko bei Kindern und Jugendlichen
Analysiert wurden auch Daten von 185.000 Patientinnen und Patienten unter 18 Jahren. Bei Kindern und Jugendlichen, die von Covid-19 genesen waren, war es zweimal so wahrscheinlich, dass diese Epilepsie entwickeln verglichen zur Kontrollgruppe (2,6 Prozent vs. 1,3 Prozent).
Die Studie zeigte aber auch, dass die Folgen einer Covid-19-Erkrankung oft nur kurzfristig das Risiko erhöhen, andere gesundheitliche Probleme zu entwickeln. "Es ist eine gute Nachricht, dass das Übermaß an Depressions- und Angstdiagnosen nach Covid-19 nur von kurzer Dauer ist und bei Kindern nicht beobachtet wird", wird Harrison in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Demnach waren Gemütsstörungen 43 Tage nach der Covid-19-Diagnose auf demselben Niveau wie in der Kontrollgruppe, bei Angststörungen war dies nach 58 Tagen der Fall.
Unterschiedliche Risiken je nach Variante
Die Forscher untersuchten auch die Auswirkungen der Coronavirus-Varianten Alpha, Delta und Omikron. Bei der Delta-Variante ergab sich im Vergleich zur Alpha-Variante ein erhöhtes Risiko für ischämischen Schlaganfall, Epilepsie, Bewusstseinstrübungen, Schlaflosigkeit und Angststörungen. Bei der Omikron-Variante gab es demnach kaum Unterschiede zur Delta-Variante, allerdings war die Sterberate geringer.
"Die Ergebnisse zeigen wichtige Auswirkungen auf Patienten und Gesundheitsdienste, da sie ein Hinweis darauf sind, dass neue Fälle von neurologischen Erkrankungen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion wahrscheinlich noch längere Zeit nach Abklingen der Pandemie auftreten werden", so Autor Harrison. Aus diesem Grund betonen die Fachleute, dass es in Bezug auf Long Covid, noch weitere umfangreiche Forschung brauche, da es noch viele unbeantwortete Fragen gebe.