Die Akutversorgung abseits von Covid-19 hat in Österreichs Spitälern in den ersten beiden Pandemiejahren gut funktioniert. Das zeigt eine Analyse der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Es kam jedoch zeitweise zu Einschränkungen in der Regelversorgung, etwa bei endoprothetischen Eingriffen an Hüfte und Knie, sagte GÖG-Expertin Karin Eglau am Mittwoch in einem Mediengespräch. Laut einer Umfrage ist auch der unerfüllte medizinische Behandlungsbedarf in der Bevölkerung gestiegen.
Als Beispiele dafür, dass die Akutversorgung sowie die Versorgung dringlicher Erkrankungen in den Spitälern "gut funktioniert hat", nannte Eglau bei dem von "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz" veranstalteten Mediengespräch u. a. Krankenhausaufenthalte mit Herzinfarkt und Herzkathetereingriff. Hier hätte es zwar im ersten Lockdown im April 2020 eine Reduktion der stationären Aufenthalte um rund 20 Prozent gegeben, dies habe sich aber in den weiteren Pandemiewellen nicht mehr gezeigt, berichtete die Medizinerin.
Bei Patientinnen und Patienten mit Schlaganfall auf einer Stroke-Unit hat im Pandemieverlauf "keine Reduktion der Aufenthalte stattgefunden", erläuterte Eglau. Auch bei Spitalaufenthalten und -besuchen mit medikamentöser Therapie für Krebspatientinnen und -patienten gab es 2020 im Vergleich zu den vorangegangenen beiden Jahren keine Rückgänge, die Zahlen lagen sogar teilweise etwas höher.
Nicht-akute Eingriffe wurden verschoben
Während der Pandemiewellen wurden die Auslastungsgrenzen der Intensivstationen erreicht oder überschritten. Daher musste die Regelversorgung eingeschränkt und elektive Eingriffe mussten verschoben werden, um Personal und Intensivkapazitäten freizuspielen, betonte Eglau.
Bei Endoprothesen für Hüfte und Knie gab es im April 2020 sowie im Herbst 2020 und 2021 deutliche Rückgänge der Operationen. Während der Sommermonate fand jedoch ein "ein bisschen ein Aufholen dieser Operationen statt", berichtete Eglau in dieser Zeit von einem Plus zu den beiden Jahren vor der Pandemie. Auch bei Katarakt-OPs (Grauer Star) gab es vor allem in der ersten Welle 2020 einen Rückgang.
Dank Lockdowns weniger Unfälle
Außerdem zeigt die GÖG-Analyse im Auftrag des Gesundheitsministeriums laut Eglau, "dass die restriktiven gesellschaftspolitischen Maßnahmen zu einer Reduktion von Unfällen und schweren Infektionen bei Kindern geführt haben".
Ersteres sei darauf zurückzuführen, dass während der Lockdowns weniger risikoreiche Sportarten betrieben wurden und die Menschen weniger auf die Straße gegangen und dadurch weniger Unfälle passiert seien. Spitalaufenthalte von Kindern bis 14 Jahren erreichten durch weniger Kontakte in Kindergärten und Schulen im Jahr 2020 teilweise nicht einmal die Hälfte der Zahlen der vorpandemischen Jahre.
Mehr Behandlungsbedarf seit Pandemiebeginn
Eine weitere Analyse der GÖG hatte im Juni 2020 und Jänner 2021 den sogenannten unerfüllten medizinischen Behandlungsbedarf in der heimischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter erhoben. Dabei geht es etwa um lange Wartezeiten oder schlechte Erreichbarkeit bei der Gesundheitsversorgung oder Unzufriedenheit mit dem Personal. Zusätzlich wurden speziell coronabezogene Gründe wie geschlossene Ordinationen, verschobene Behandlungen und die Angst sich anzustecken abgefragt.
In der Umfrage zeigte sich im internationalen Vergleich, "dass auch in Österreich der subjektiv unerfüllte medizinische Behandlungsbedarf in der Pandemie angestiegen ist", berichtete Gesundheitsökonomin Andrea Schmidt von der GÖG. Im Jahr 2015 gaben dies nur rund sechs Prozent der Befragten an, im Juni 2020 waren es 20 Prozent und im Jänner 2021 dann 18 Prozent. Ausschlaggebend für den Anstieg waren die coronabezogenen Gründe, jedoch mehr geschlossene Ordinationen und verschobene Eingriffe als die Ansteckungsgefahr bei einer Behandlung.
Ältere Befragte meldeten häufiger unerfüllten Behandlungsbedarf, erläuterte Schmidt. Das sei auf den schlechteren Gesundheitszustand zurückzuführen, der dafür viel ausschlaggebender sei als andere Faktoren. "Im Sinne eines resilienten Gesundheitssystems ist genau darauf zu achten, dass Menschen, die sowohl gesundheitlich als auch sozial oder ökonomisch Mehrfachbelastungen ausgesetzt sind, in Krisen nicht zusätzlich belastet werden", empfahl die Expertin daher. Es brauche dafür "entsprechende Puffer" beim Gesundheitspersonal, forderte Schmidt. Ein Intensivbett sei schnell aufzustellen, sagte auch Eglau, der "limitierende Faktor in der Betreuung" ist das Personal.