In knapp fünf Wochen könnten in Deutschland alle tiefgreifenden Corona-Einschränkungen auslaufen. "Bis zum kalendarischen Frühjahrsbeginn am 20. März 2022 sollen die weitreichenden Einschränkungen des gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens schrittweise zurückgenommen werden", heißt es am Montag in einem mehreren Medien vorliegenden Entwurf für die Beratungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Ministerpräsidentenkonferenz.
Bei dem Beschlussvorschlag handelt es sich nach dpa-Informationen aber lediglich um eine Diskussionsgrundlage für einen Beschlussentwurf für die Bund-Länder-Gespräche am Mittwoch. Am Montag wollten zunächst die Chefs und Chefinnen der Staatskanzleien der Länder über die Vorlage beraten.
Der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat auf ein baldiges Ende aller Corona-Maßnahmen gepocht. "Wir müssen den Menschen in unserem Land zeigen, dass ein Ende der freiheitseinschränkenden Maßnahmen unmittelbar bevorsteht", sagte Djir-Sarai am Montag in Berlin nach einer Sitzung der Parteigremien. Der Fahrplan müsse sich an nachvollziehbaren Kriterien orientieren und die Menschen im Alltag spürbar entlasten. "In einem weiteren Schritt sollten mit dem 20. März alle Maßnahmen gefallen sein. Ich habe bereits ausdrücklich gesagt, dass ich eine Verlängerung der derzeitigen Regelungen für absolut falsch halte", sagte Djir-Sarai.
In einem ersten Schritt soll demnach der Zugang zum Einzelhandel "bundesweit für alle Personen ohne Kontrollen" erlaubt werden. Das bedeutet, dass die 2G-Regel beim Einkaufen fallen könnte. Der Zugang soll bundesweit für alle Personen ohne Kontrollen möglich sein. Allerdings soll weiter Maskenpflicht gelten.
Auch private Zusammenkünfte für Geimpfte und Genesene mit mehr Teilnehmern sollen wieder möglich sein. Bisher gilt eine Obergrenze von 10 Personen. Vorgeschlagen werden jetzt 20 Personen, aber die letztendliche Zahl ist noch offen. Für Ungeimpfte sollen die Kontaktbeschränkungen dem Entwurf zufolge allerdings bis zum 19. März bestehen bleiben.
In einem zweiten Schritt soll dem Vorschlag zufolge ab dem 4. März der Zugang zur Gastronomie für Geimpfte, Genesene und Personen mit tagesaktuellem Test (3G-Regel) ermöglicht werden. Auch Übernachtungsangebote sollen für diese Personengruppen mit tagesaktuellem Test möglich werden. Diskotheken und Klubs sollen für Genesene und Geimpfte mit tagesaktuellem Test oder dritter Impfung geöffnet werden. Gelockert werden sollen auch die zahlenmäßigen Beschränkungen bei überregionalen Großveranstaltungen – inklusive dem Sport.
Ab dem 20. März "entfallen alle tiefgreifenden Schutzmaßnahmen" wie auch die verpflichtenden Homeoffice-Regelungen. Arbeitgeber sollen aber weiterhin im Einvernehmen mit den Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice anbieten können.
An "niedrigschwelligen Basisschutzmaßnahmen" wie dem Masken-Tragen wollen Bund und Länder weiter festhalten. Der Bundestag solle die rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass die Länder die entsprechenden Maßnahmen ergreifen könnten. Insbesondere in Innenräumen sowie in Bussen und Bahnen sollten weiterhin Masken getragen werden. Bei schlechterer Infektionslage soll die Regierung zudem nötige Gesetzgebungsverfahren zügig einleiten.
Der Entwurf berücksichtigt bereits die am Sonntag verbreitete Stellungnahme des Expertenrates der Bundesregierung, wonach der Anstieg der Neuinfektionen "in den nächsten Wochen zu einem Ende kommen wird". Daher sei nun der Zeitpunkt gekommen, vorausschauende Öffnungsstrategien zu planen. Bund und Länder erwägen demnach einen "Dreischritt der Öffnungen in Bereichen überregionaler oder grundsätzlicher Bedeutung". In anderen Bereichen würden die Länder selbst über Öffnungsschritte entscheiden, um etwa die unterschiedlichen Impfquoten oder die Belastungen des Gesundheitssystems zu berücksichtigen.
Der Entwurf geht auch auf die umstritten Impfpflicht für das Personal in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen ein, die ab dem 16. März gilt. Die Gesundheitsämter hätten ein Ermessen bei der Umsetzung der Maßnahmen, heißt es im Entwurf. Ein Betretungsverbot der Einrichtungen etwa für Beschäftigte, die keinen Impfnachweis vorlegen, sei die letzte Stufe: "Daher wird es nicht sofort flächendeckend automatisch zu derartigen Betretungsverboten kommen."
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach sich für eine allgemeine Impfpflicht aus. Es sei gut, dass im März die Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeeinrichtungen komme, sagte Baerbock am Montag nach einem Krankenhausbesuch im brandenburgischen Ludwigsfelde. "Sie wird aber nicht ausreichen", so die Politikerin. "Wir brauchen eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland, damit wir all diejenigen schützen, die seit zwei Jahren alles gegeben haben, das Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten", sagte Baerbock. Die Grünen hoffen als Partei, dass die Bundestagsdebatte über eine Corona-Impfpflicht spätestens an diesem Freitag beginnen wird.
Zudem soll über den Geimpften- und Genesenenstatus künftig nicht mehr das Paul-Ehrlich-Institut und das Robert-Koch-Institut (RKI) entscheiden. In der Öffentlichkeit hatte für Kritik gesorgt, dass das RKI jüngst sehr kurzfristig den Genesenenstatus auf drei Monate verkürzt hatte.
Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote warnte vor schnellen, weitreichenden Lockerungen der Corona-Maßnahmen. "Ich bin auch immer noch beim Team Vorsicht, ganz ausdrücklich. Was jetzt gesagt wird, wir machen am 19. März alles auf, das geht mir ehrlich gesagt zu schnell", sagte die Grünen-Politikerin am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses. "Wenn wir uns anschauen, wie das in den anderen Ländern sich entwickelt, dann sind das keine guten Beobachtungen." Gote sagte, in Dänemark und Israel seien die Infektionszahlen nach den Lockerungen wieder stark gestiegen – vor allem aber auch die Belastung in den Krankenhäusern.
"Ja, es ist richtig, es wird keinen Zusammenbruch und keine Überlastung des Systems geben, so wie wir sie erwartet haben, als wir noch nicht wussten, wie stark die Omikron-Welle kommt", sagte Gote. "Aber die Belastung ist sehr hoch, auch hier in Berlin." Gote wies darauf hin, dass nach wie vor auch viele Operationen verschoben werden müssten.