Normalerweise kommt sie in der kalten Jahreszeit so sicher wie Weihnachten im Dezember: die Grippewelle. Doch im vergangenen Jahr blieb eine solche in Österreich vollkommen aus. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen war die Reisetätigkeit der Österreicherinnen und Österreicher im letzten Jahr stark eingeschränkt. Das Virus konnte also nicht einfach „mitgebracht“ werden. Zum anderen wirkten die Hygiene- und Abstandsregeln natürlich nicht nur gegen Sars-CoV-2, sondern verhinderten auch, dass andere Viren – wie das Grippevirus – sich ausbreiten konnten.
Bereits einige Grippefälle in Europa
Heuer wird hingegen kein Weg an einer Grippewelle vorbeiführen, erklärt Virologin Monika Redlberger-Fritz: „Dieses Jahr gibt es in Europa schon breite Influenza-Aktivitäten.“ Laut dem europäischen Überwachungssystem „Sentinel“ gibt es vor allem in Russland und teils in Schweden verbreitet Infektionsaktivitäten des Grippevirus. Es ist aber auch schon in Deutschland und Frankreich angekommen. Da die Österreicherinnen und Österreicher heuer auch wieder vermehrt reisen, wird das Influenzavirus damit früher oder später auch hierzulande vorkommen – wann und in welchem Ausmaß könne man aktuell noch nicht sagen.
Allerdings dürfte das Grippevirus auch ein neues Phänomen mit sich bringen: Doppelinfektionen mit Influenza und Corona. „Dazu gab es bisher nur Einzelfallberichte zu Beginn der Pandemie. Aber nun dürften diese Fälle vermehrt auftreten, denn wir haben eine neue Situation: Zum ersten Mal werden Influenza und Sars-CoV-2 gleichzeitig zirkulieren“, so Redlberger-Fritz. Und damit sei es theoretisch auch möglich, sich mit beiden Viren gleichzeitig zu infizieren.
Überfordertes Immunsystem
Doppelinfektionen mit anderen Viren gab es bereits: „Wir hatten Fälle, wo Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren, auch gleichzeitig mit einem Rhinovirus oder RSV infiziert waren“, sagt die Virologin. Doppelinfektionen mit dem Corona- und dem Grippevirus haben eine große Wahrscheinlichkeit, schwer zu verlaufen: „Das Immunsystem kann nicht gegen beides gleichzeitig gut ankämpfen. Es kann zu einem sogenannten Zytokinsturm kommen, wo viele Botenstoffe ausgeschieden werden und es zu einer massiven Überreaktion des Immunsystems kommt.“ Für die Betroffenen ist dies eine akut lebensbedrohliche Situation.
Mit Fällen von Doppelinfektionen müsse man mit Start der Grippesaison rechnen: „Wir müssen uns gut darauf vorbereiten, denn wir werden Doppelinfektionen sehen. Die gute Nachricht ist, dass wir solche verhindern können, da wir wirksame Prophylaxen für beide Erkrankungen haben“, so die Virologin. Denn genau wie im Falle des Coronavirus steht auch gegen das Grippevirus eine wirksame Impfung zur Verfügung. „Wir dürfen nicht nur auf Sars-CoV-2 schauen, sondern müssen auch für Influenza impfen.“
Für Kinder kostenfrei
Vor allem bei Kindern sei die Grippeimpfung zu empfehlen. Zum einen, weil sich unter den intensivpflichtigen Grippefällen auch heuer wieder einige Null- bis Vierjährige befinden. Zum anderen auch, weil gerade für die Jüngsten keine Covid-19-Impfung zugelassen ist. Mit der Influenzaimpfung könne man Doppelinfektionen aber entgegenwirken. Das betreffende Vakzin ist schon ab einem Alter von sechs Monaten zugelassen. Die Grippeimpfung ist aktuell für alle bis 14 Jahre kostenfrei.
Ältere Kinder können sogar gleichzeitig gegen beide Erkrankungen geimpft werden: „Aus medizinischer Sicht spricht nichts dagegen, beide Impfstoffe auf einmal zu verabreichen“, so Redlberger-Fritz. Wenn sich Eltern und Kinder damit wohler fühlen, könne aber ohne Probleme auch ein Abstand zwischen den beiden Impfungen eingehalten werden: „Dann würde man abwarten, bis die Impfreaktionen nach der ersten Impfung abgeklungen sind, und anschließend den zweiten Impfstoff verabreichen.“