PRO, von Norbert Mauser
Zunehmend sind Spitäler, also die Pfleger(innen) und Ärzt(innen), am und über dem Limit. Verschobene Operationen kosten viele Lebensjahre. Jede Ansteckung kann auch bei leichtem Verlauf zu Long Covid führen. Auch Kinder werden akut schwer krank (z. B. Pims) und können starke Langzeitfolgen haben. Die Inzidenz muss unter 400 kommen, damit die Welle gebrochen wird. Derzeit ist sie über 1000, bei 5- bis 14-Jährigen über 2000!
Schulen, Kindergärten und Horte sind ein wesentlicher Treiber des Infektionsgeschehens. Bei 20 bis 30 Kindern über mehrere Stunden in einem Zimmer wird durch Aerosole angesteckt. Das Testen, so wie es derzeit durchgeführt wird, ist keine Schutzmaßnahme. Es müssten drei PCR-Tests pro Woche sein, mit Resultat in wenigen Stunden. Das Isolieren von infizierten Kindern funktioniert meist nicht richtig. Bei den derzeitigen Inzidenzen scheitern Konzepte, die bei niedriger Inzidenz theoretisch funktionieren.
'Schulschließungen sind erwiesenermaßen die wirkungsvollste Maßnahme zur Reduktion der Ansteckung. Der Lockdown im März 2020 mit "Homeoffice für alle" hat die erste Welle in zehn Tagen gebrochen. Ob zweimal fünf Tage Distanzlehre oder die anderen Einschränkungen der Sozialkontakte schon im "Lockdown soft" die Kinder am meisten belasten, ist offen. Die zweiwöchigen bzw. zweimonatigen Schulschließungen in den Ferien sind gut für das Kindeswohl. Die Schulen werden auch deshalb nicht geschlossen, weil sonst die Eltern nicht in die Arbeit können. Deshalb muss durch behördliche Schulschließung ein Rechtsanspruch auf Betreuung geschaffen werden und Betriebe müssen heruntergefahren werden – nicht nur Handel, Hotels, Sportstätten.
Der Stufenplan (nur Belegung der Intensivstationen und nicht Inzidenz zählt) war falsch. Das Experiment eines Lockdowns nur für Ungeimpfte war Unsinn. Der derzeitige Lockdown ist nur eine "verschärfte Ausgangssperre", der die Welle dämpft, aber nicht bricht. Impfen hilft nicht kurzfristig zum Brechen der vierten Welle. Die Booster-Impfung wird mittelfristig abdämpfen.
Betriebe runterfahren und Schulen schließen hätte vor Wochen und wird kommen müssen – Zögern kostet weitere Menschenleben und Milliarden. Auch mir sind die Nachteile bewusst, die die Mehrheit der Kinder durch Distanzlehre erleidet – aber zehn Tage Schulschließung sind jetzt unvermeidbar, wenn die Triage in den Spitälern rasch beendet werden soll und Hunderte Tote vermieden werden sollen.
KONTRA, von Gerald Gartlehner
Schülerinnen und Schüler haben derzeit doppelt so hohe Infektionszahlen wie Erwachsene. Aus rein epidemiologischer Sicht müsste man daher Schulen schließen, um das Infektionsgeschehen in Österreich möglichst konsequent einzudämmen. Wenn man jedoch eine etwas breitere gesundheitliche Perspektive einnimmt, gibt es viele schwerwiegende Gründe, warum Schulen während dieses Lockdowns offen bleiben sollen. Schülerinnen und Schüler haben enorm unter der Pandemie gelitten, obwohl sie selten schwer an Covid-19 erkranken. Die deutsche Ständige Impfkommission (Stiko) schätzt die Gefährlichkeit von Covid-19 für Kinder und Jugendliche als nicht höher ein als jene der saisonalen Grippe.
Dennoch wurden Schulen während der Pandemie immer wieder geschlossen – in erster Linie, um Erwachsene zu schützen.
Die Folgen der wiederholten Schulschließungen sind dramatisch. Eine Studie der Donau-Universität Krems zeigte, dass die psychische Belastung bei Kindern und Jugendlichen während der Pandemie enorm gestiegen ist. 55 Prozent leiden unter einer depressiven Symptomatik, die Hälfte unter Ängsten, ein Viertel unter Schlafstörungen und 16 Prozent haben suizidale Gedanken. Dazu kommen verstärkt Bildungsdefizite, vor allem bei sozial benachteiligten Kindern.
Das Offenhalten der Schulen ist daher ein entscheidender Schritt, die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen zu reduzieren, indem der soziale Kontakt und Austausch erhalten und eine regelmäßige Tagesstruktur geboten wird.
Schülerinnen und Schüler sind aber auch die am besten auf Corona-Infektionen getestete Bevölkerungsgruppe Österreichs. Durch die regelmäßigen Schultests können Infektionscluster innerhalb kürzester Zeit entdeckt und einzelne Klassen bei Bedarf geschlossen werden.
Kinder und Jugendliche gehören zu den verwundbarsten Mitgliedern unserer Gesellschaft. Es besteht daher unter Expert(innen) breiter Konsens, dass Schulen bei Gesundheitskrisen die letzten Institutionen sein sollten, die schließen, und die ersten, die öffnen. Solange Skilifte, Energetiker(innen), Astrolog(innen) und sonstige Berufszweige während dieses Lockdowns offen halten dürfen, gibt es auch keine moralische Rechtfertigung, Schulen zu schließen.
Nicht Schülerinnen und Schüler sind die Ursache für die Wucht dieser vierten Welle, sondern vor allem ungeimpfte Erwachsene.