Wie fühlt es sich für Sie als Bildungsminister an, die Schülerinnen und Schüler in ihr drittes Coronaschuljahr schicken zu müssen?
HEINZ FASSMANN: Ich hätte auf Corona lieber verzichtet. Es wäre kein Schaden gewesen, wenn uns das Virus in diesem Jahr erspart geblieben wäre.

Damit uns Distance Learning erspart bleibt, wollen Sie mit PCR-Tests und Luftreinigern die Schule sicher machen. Wie groß ist die Angst, dass Ihnen das Virus einen Strich durch die Rechnung macht?
Begrenzt. Wir haben einen flexiblen, wissenschaftlich basierten und fein abgestimmten Plan entworfen, um das zu verhindern. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir den Schulstart gut über die Bühne bringen. Flächendeckende Schließungen oder Schichtbetriebe halte ich für unrealistisch.

Geimpfte Jugendliche sollen „belohnt“ werden, indem Test- und Maskenpflicht für sie fallen. Ist das mit Schulstart fix?
Die Testpflicht fällt nach der zweiwöchigen Sicherheitsphase für Geimpfte. Beim Mund-Nasen-Schutz müssen wir darauf achten, konsistent mit den Regelungen in Handel, Kino und Co. zu agieren. Ungeimpfte Lehrer werden sie jedenfalls tragen müssen.

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Das heißt, wenn im Herbst im Handel Maskenpflicht gilt, ist es mit der Befreiung für Geimpfte wieder vorbei?
Dann wird es die „Volksschulregelung“ geben – mit Maske in die Schule, mit Maske in den Gängen und am Platz darf sie abgelegt werden.


Aktuell wird darüber diskutiert, Tests für Impfverweigerer kostenpflichtig zu machen. Wäre das für Sie denkbar?
Ich halte die Diskussion über kostenpflichtige Tests für berechtigt. Die Frage ist legitim, inwieweit die Allgemeinheit die Tests derer bezahlen muss, die sich eine Impfung ersparen möchten.

Müssten dann auch ungeimpfte Schüler und Lehrer zahlen?
Für ungeimpfte Lehrer wären dann kostenpflichtige PCR-Tests einmal pro Woche denkbar. Für Schüler müssen wir den Zugang zur Bildung jedoch kostenfrei lassen.


Sie lehnen eine Impfpflicht für Lehrer ab. Warum?
Ich lehne es jedenfalls nicht ab, dass sich Lehrerinnen und Lehrer impfen lassen.


Aber Sie lehnen die Verpflichtung dazu ab.
„Pflicht“ stellt einerseits einen Eingriff in die körperliche Integrität dar und muss andererseits einen Beitrag zum allgemeinen Schutz leisten. Das ist eine Abwägungsfrage. Die schlichte Forderung nach einer Pflicht für eine Berufsgruppe ist zu kurz gedacht.


Dass diese Gruppe den engsten Kontakt zu Kindern hat, die noch nicht geimpft werden können, ist kein Argument?
Das Gegenargument lautet, dass ungeimpfte Lehrer regelmäßig negative PCR-Tests vorweisen und Maske tragen müssen. Geschieht das nicht, stellt das eine Dienstrechtsverletzung dar. Wir haben einige Fälle, die eine Entlassung zur Folge hatten. Es ist also keineswegs so, dass Kinder ungeschützt vor ungeimpften Lehrern sitzen. Zudem ist dieser Anteil in der Lehrerschaft ein geringer.


Genau wissen Sie das nicht, entsprechende Zahlen fehlen.
Wir werden es bald wissen. Wir sind dahinter, dass das Gesundheitsministerium mit der Statistik Austria kooperiert und die Zahlen bald vorlegt. Ich glaube, dass das berufliche Ethos des Lehrpersonals so hoch ist, dass man sich impfen lässt, weil man um die große Verantwortung gegenüber den Kindern weiß.


Immer mehr dieser Kinder werden von ihren Eltern zum häuslichen Unterricht angemeldet – zu groß sei die Angst vor Impfung und Test. Macht Ihnen das Sorgen?
Mir macht die generelle Debatte Sorgen. Ich dachte immer, dass die Aufklärung in unserer Gesellschaft erfolgreich tätig gewesen ist und dass rationales Denken vorherrscht. Und weil gerade beim Thema Impfen die Vorteile die Nachteile überwiegen, wundern mich die Mythen und Halbwahrheiten, die sich hier verbreiten. Ich bekomme immer wieder E-Mails von Eltern und Lehrern, die Impfungen ablehnen. Bei manchen versuche ich aufzuklären, das steckt so in mir drin. Aber ich muss ganz offen sagen: Das ist extrem schwierig.

Dass gerade diese Skeptiker die Kinder selbst unterrichten wollen, stört Sie nicht?
Der häusliche Unterricht ist ein Privileg der liberalen Gesellschaft aus dem 19. Jahrhundert. Ich habe aber der Schulverwaltung aufgetragen, mit den Eltern ernsthafte Gespräche über die Folgen einer solchen Entscheidung zu führen. Ich denke, dass man die Wichtigkeit der Institution Schule unterschätzt. Es geht nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern auch um die Sozialisierung der Kinder. Und das sollte man ihnen auch nicht vorenthalten.


Wenn Eltern dennoch Angst haben, ihr nicht geimpftes Kind in die Schule zu schicken: Bleibt Distance Learning weiter möglich?
Die Präsenzpflicht kann in solchen Fällen aufgehoben werden und man kann mit Lernpaketen arbeiten – so wie bereits vor den Ferien. Ich würde diesen Eltern aber raten, sich selbst impfen zu lassen. Dann müssen sie auch keine wirkliche Angst haben, dass Infektionen in die Schule und wieder nach Hause getragen werden.


Wie sollen im neuen Schuljahr Lerndefizite ausgeglichen werden, die im Distance Learning bei vielen Schülern entstanden sind?
Ich glaube, dass das letzte Jahr kein verlorenes war. Die Kinder haben in Bereichen wie Selbstständigkeit und digitaler Kompetenz sehr profiliert und gelernt, mit einer schwierigen Situation umzugehen. Was den Lernstoff betrifft, werden die Lehrer selbst entscheiden, was noch einmal wiederholt werden muss und wo man schon neuen Stoff bearbeiten kann. Wir werden eine entsprechende Empfehlung ausgeben. Zudem gibt es weiterhin ein reichhaltiges Förderangebot.


Noch ein Blick an die Unis, wo viele kein Interesse an einer Rückkehr zum Präsenzunterricht zeigen. Machen sie es sich zu leicht?
Distance Learning mit erwachsenen Menschen geht natürlich leichter als mit Kindern. Und manche Studierende sind darüber gar nicht unglücklich. Grundsätzlich geht es aber darum, auch die Präsenzlehre wieder aufzunehmen. Ich erwarte das und die Unis vermitteln dieses Bestreben auch.