Die steigende Zahl von Corona-Neuinfektionen in Israel könnte laut einem Experten ein "erstes Signal" für eine verminderte Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe gegen die Delta-Variante sein. Es sei jedoch noch "zu früh, um präzise Aussagen über die Impfstoff-Wirksamkeit gegen die Variante zu machen", sagte der Vorsitzende des israelischen Expertengremiums zu Covid-19, Ran Balicer.
Obwohl der Großteil der Erwachsenen in Israel mit dem Impfstoff von Biontech und Pfizer immunisiert wurde, nahmen die Fallzahlen zuletzt wieder zu. Durch eine der schnellsten Impfkampagnen weltweit hatte Israel die Zahl der Neuansteckungen zuletzt auf rund fünf pro Tag reduziert. Mit der Ausbreitung der Delta-Variante stieg die Zahl wieder auf zuletzt rund 300 neue Fälle pro Tag.
Derzeit zählen die Behörden insgesamt ungefähr 2600 aktive Corona-Fälle, 35 Menschen sind schwer erkrankt. Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus gab es in den vergangenen beiden Wochen nicht mehr.
Weil die wenigen Fälle aber bisher sehr ungleich in der Bevölkerung verteilt sind, lassen sich laut Balicer noch keine eindeutigen Schlüsse ziehen. Ein leichter Rückgang des Impfschutzes mit milden Verläufen sei "wahrscheinlich", sagte er. Der Impfstoff von Biontech/Pfizer kann Geimpfte wohl auch nach der zweiten Dosis nur in 64 Prozent der Fälle vollständig vor einer Ansteckung mit Delta bewahren, so die Daten. Davor waren Forscher davon ausgegangen, dass das Vakzin eine Wirksamkeit von etwa 90 Prozent habe. Virologin Dorothee von Laer betont in einem Interview auf Puls24, dass sich die Hinweise bezüglich der abgeschwächten Wirkung verdichten würden. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich als Geimpfter anstecken könne, sei bei Delta deutlich höher. Ebenso könne man das Virus auch weitergeben, betont von Laer.
Hinweise auf einen geminderten Schutz vor schweren Verläufen gebe es bisher nicht - hier soll der Schutz weiterhin bei 93 liegen.
Wie aussagekräftig die Daten sind, ist allerdings noch unklar. Sie stammen aus dem Zeitraum 6. Juni bis Anfang Juli 2021. Im Mai habe der Impfstoff von Biontech/Pfizer noch zu 94 vor einer Ansteckung geschützt. Die Zahlen beziehen sich auf vorläufige Daten, die auf Informationen beruhten, die Gesundheitsämter fortlaufend sammeln.
Auch wie die Zahlen aus Israel mit den Ergebnissen früherer Studien zusammenpassen, ist noch unklar. Mitte Juni hatten vorläufige Daten aus Großbritannien ergeben, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer in 88 Prozent aller Fälle einen symptomatischen Verlauf mit der Delta-Variante verhindert.
Was bedeutet das nun?
Die Daten aus Israel könnten darauf hindeuten, dass der Impfschutz in manchen Teilen der Bevölkerung – etwa bei alten Menschen – schneller nachlässt als erwartet, schreibt US-Gesundheitsexperte Andy Slavitt auf Twitter. Nun gebe es in Israel bereits Überlegungen, ob eine dritte Impfung einen zusätzlichen "Boost" geben könnte.
Ministerpräsident Naftali Bennett hatte am Sonntag außerdem gewarnt, dass wegen der Delta-Variante bestimmte Corona-Regeln wieder eingeführt werden könnten, die erst im vergangenen Monat aufgehoben worden waren. Balicer teilte die Einschätzung, dass zur Eindämmung der steigenden Fallzahlen Maßnahmen nötig seien. Er äußerte aber die Hoffnung, dass sie wegen der israelischen "Impfmauer" wenig drastisch ausfallen dürften.