Indonesien kämpft mit einer neuen Covid-19-Welle. Friedhofsangestellte in der Hauptstadt Jakarta arbeiten laut Medienberichten bis spät in die Nacht, um die unzähligen Toten zu bestatten, die alleine in den vergangenen Tagen angeliefert wurden. Viele Krankenhäuser sind an ihre Grenzen gestoßen.
Erst vor Kurzem ging ein Aufschrei durch die sozialen Medien, als das Video eines 64-jährigen Mannes die Runde machte, der – an Covid erkrankt – vor seinem Haus zusammengebrochen und verstorben war. Eine Ambulanz ließ zwölf Stunden auf sich warten, bis sie den Toten abtransportierte.
Medizinisches Personal besonders gefährdet
Insgesamt beklagt der südostasiatische Inselstaat mindestens 57.000 Covid-19-Tote und hat die Zwei-Millionen-Grenze bei den Infektionen überschritten. Derzeit meldet das Land täglich über 20.000 Neuinfektionen. Vor allem das medizinische Personal ist gefährdet: In Kudus, einer Stadt in Zentraljava, wurden in den letzten zwei Wochen mehr als 500 Ärzte und Pflegekräfte positiv auf Covid-19 getestet, wie der Guardian meldet. Alle waren vollständig geimpft.
Laut eines Berichts des Wall Street Journal sollen allein in diesem Monat 26 Ärztinnen und Ärzte in Indonesien verstorben sein. Mindestens zehn der Betroffenen hatten beide Dosen des chinesischen Impfstoffs erhalten, hieß es. Der Impfstatus der anderen konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden.
Corona-Ausbrüche trotz Impfkampagnen
Diese Entwicklung wirft erneut Fragen nach der Wirksamkeit der in China entwickelten Vakzine auf. Diese sind neben China, wo inzwischen mehr als eine Milliarde Dosen verimpft wurden, in mehr als 80 Länder weltweit geliefert worden. Und Indonesien ist dabei kein Einzelfall: Auch die Seychellen erleben trotz einer geradezu vorbildlichen Impfquote eine erneute Covid-Welle, nachdem sich das Land neben der Astrazeneca-Impfung hauptsächlich auf den chinesischen Sinopharm-Impfstoff verlassen hat. „Dies wirft zwei Fragen auf: Zum einen über die Qualität der Impfstoffe, zum anderen wie sie auf Virusvarianten wirken, die im Land zirkulieren“, sagte Tony Blakely, ein Epidemiologe an der Universität von Melbourne, in einem Telefoninterview im Mai. So sei auf den Seychellen beispielsweise die Beta-Variante nachgewiesen worden, die erstmals in Südafrika aufgetreten war – eine Variante, bei der auch die Astrazeneca-Impfung nur eine Effektivität von rund zehn Prozent hat.
Auch andere Länder wie Chile, Uruguay, die Mongolei, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Bahrain, die ihre Bevölkerungen mit den Sinovac- oder Sinopharm-Produkten impften, haben neue Corona-Ausbrüche gemeldet. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Sinopharm im Mai dieses Jahres die Notfallzulassung erteilt hat und Sinovac im Juni, schwanken die Wirksamkeitsdaten für das Sinovac-Mittel zwischen 50,65 und 83,5 Prozent, während Sinopharms Impfstoff eine Wirksamkeit zwischen 79 und 86 Prozent haben soll. Bei den neuen Virusvarianten aus Indien – vor allem bei der gefährlichen und inzwischen dominanten Delta-Variante – fehlen jedoch eindeutige Daten.
Verlässliche Daten fehlen
Wei Sheng, ein Gesundheitsexperte der Huazhong Universität, soll laut des chinesischen Staatsmediums Global Times, das als Sprachrohr der Kommunistischen Partei gilt, in einem Fernsehinterview zwar gesagt haben, dass die chinesischen Impfstoffe, einschließlich des Sinovac-Impfstoffs, auch gegen die Delta-Variante wirksam seien, doch andere Experten warnen, dass die Datenlage nicht verlässlich sei: „Die Sorge bei Sinovac ist, dass die veröffentlichten Daten im Vergleich zu anderen Impfstoffen recht spärlich sind“, sagte Pawin Numthavaj, ein Epidemiologe am Ramathibodi Krankenhaus in Thailand, das Millionen Sinovac-Dosen erhalten hat, dem Guardian.
Dicky Budiman, ein Epidemiologe an der australischen Griffith Universität, kam in einer kleineren Studie mit Patienten, die sich trotz vollständiger Impfung mit Covid-19 infiziert hatten, zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit den Sinovac-Impfstoff erhalten hat. Trotzdem hätten seine Forschungen ergeben, dass Sinovac „immer noch effektiv“ sei, wie er der Nikkei Asian Review sagte. „Etwa 50 Prozent der Befragten waren asymptomatisch oder hatten sehr leichte Symptome“, sagte er. Weniger als ein Prozent der Betroffenen sei gestorben.
Die indonesischen Gesundheitsexperten diskutieren nun, ob das medizinische Personal noch alternative Dosen zur Stärkung seiner Immunität erhalten sollte. Auch Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate bieten inzwischen sechs Monate nach zwei Sinopharm-Dosen eine Auffrischungsdosis Biontech/Pfizer an, um die Bedenken auszuräumen, dass die beiden Sinopharm-Dosen keinen ausreichenden Schutz bieten.
Barbara Barkhausen aus Sydney