In Indien ist die Zahl der Corona-Todesfälle am Mittwoch auf über 200.000 gestiegen - und ein Ende der seit Wochen anhaltenden Infektionswelle ist nicht in Sicht. Vor allem in der Hauptstadt Neu Delhi ist die Lage inzwischen so verzweifelt, dass Parkplätze zu Krematorien umfunktioniert werden und das Holz für die Verbrennung der Toten knapp wird. Angesichts der Lage schicken mehr und mehr Staaten Unterstützung.
Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums wurden 3.293 Tote binnen 24 Stunden verzeichnet, die Zahl der Todesfälle insgesamt stieg damit auf 201.187. Experten gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Mit zudem 360.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden erreichte Indien erneut weltweit einen traurigen Rekord.
Die Zahl der seit Pandemie-Beginn Infizierten beläuft sich damit auf 18 Millionen. Allein in diesem Monat kamen fast sechs Millionen neue Fälle hinzu. Der dramatische Anstieg der Infektionszahlen ist vermutlich auch auf die neue Virusvariante B.1.617 zurückzuführen, die erstmals in Indien registriert wurde. Das ohnehin schlecht ausgestattete Gesundheitssystem des Landes steht angesichts der rapide steigenden Infektionszahlen vor dem Zusammenbruch. In zahlreichen Krankenhäusern sind medizinischer Sauerstoff und Medikamente knapp.
Hilfslieferungen
Erste internationale Hilfslieferungen trafen bereits in dem Land ein, unter anderem hundert Beatmungsgeräte und 95 Sauerstoffkonzentratoren aus Großbritannien. Auch andere Länder beteiligen sich an den Hilfsaktionen. Singapur schickte am Mittwoch Flugzeuge mit Sauerstoffvorräten.
Am Donnerstag sollen erste Flüge mit Hilfsgütern aus den USA Indien erreichen. Das Weiße Haus kündigte am Mittwoch Güter im Wert von 100 Mio. Dollar (82,9 Mio. Euro) insbesondere zur Sauerstoffversorgung und Impfstoffproduktion für die nächsten Tage an. So haben die USA eine Bestellung von Produktionsmitteln für rund 20.000 Dosen des Astrazeneca-Vakzins nach Indien umgeleitet, geliefert werden u.a. 15 Millionen N95-Atemschutzmasken, eine Million Schnelltests und das Medikament Remdesivir.
Tonnen aus Russland
Auch Russland stellt tonnenweise Hilfsgüter bereit. Der russische Präsident Wladimir Putin versprach dem indischen Premierminister Narendra Modi bei einem Telefonat einen Transport mit 22 Tonnen Fracht, darunter 75 Beatmungsgeräte, 20 Anlagen zur Erzeugung von Sauerstoff und 200.000 Packungen mit Medikamenten.
Modi danke nach Kremlangaben für die Hilfe. Beide Seiten hätten zudem begrüßt, dass der russische Impfstoff Sputnik V in Indien registriert worden sei. Russland will das in mehr als 60 Staaten zugelassene Präparat dort auch in großem Stil produzieren lassen. Von Mai an sollten dort demnach 850 Millionen Dosen des Impfstoffs hergestellt werden.
Die Diakonie Katastrophenhilfe wies unterdessen darauf hin, dass nicht nur medizinische Hilfe dringend benötigt werde. Unterstützung bräuchten angesichts der angekündigten harten Ausgangsbeschränkungen auch "Wanderarbeiter und Menschen, die in anderen informellen Berufen arbeiten", sagte die Präsidentin der Organisation, Dagmar Purin. "Die angekündigten - und absolut verständlichen - Ausgangsbeschränkungen führen dazu, dass die Menschen in akute Not fallen. Wir müssen ihnen mit Sofortmaßnahmen zur Seite stehen".
Variante in 17 Ländern
Die zuerst in Indien entdeckte Coronavirus-Variante B.1.617 ist der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge inzwischen bereits in mindestens 17 Ländern nachgewiesen worden. Die meisten der Nachweise außerhalb Indiens stammen demnach aus Großbritannien, den USA und Singapur.
Der Impfstoff von Biontech und Pfizer dürfte nach erster Einschätzung der beiden Unternehmen auch gegen die indische Virusvariante wirken. Biontech-Chef Ugur Sahin sagte in Berlin, die entsprechenden Tests liefen zwar noch, aber er sei "zuversichtlich", dass das Biontech/Pfizer-Vakzin auch gegen B.1.617 wirke.
Die indische Mutante zeichne sich durch Veränderungen aus, die bereits aus anderen Corona-Varianten bekannt seien, erläuterte Sahin. Gegen diese wirke der Impfstoff. Insgesamt hätten Biontech und Pfizer inzwischen schon mehr als 30 Corona-Varianten getestet, bei fast allen funktioniere das Vakzin genau so gut wie bei der Ursprungsform. Auch in den Fällen, in denen die Immunantwort nach der Impfung schwächer ausfalle, sei diese ausreichend, fügte er hinzu.