Österreich verhandelt derzeit mit Russland über die Lieferung von einer Million Dosen des Corona-Impfstoffes "Sputnik V". Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erklärte, dass man "aktuell alle Möglichkeiten" prüfe, um möglichst rasch weiteren Zugang zu noch mehr geprüften Impfstoffen für die breite Bevölkerung zu ermöglichen". "Klar ist: jeder in Österreich eingesetzte Impfstoffe muss wirksam und sicher sein", so Anschober.
Aus dem Bundeskanzleramt in Wien hieß es am Dienstag gegenüber der APA eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit Russland zum Austausch von Dokumenten sei unterschrieben worden. Die österreichischen Gesundheitsbehörden würden auch Zugang zu den Dokumenten erhalten. Verhandelt werde über die Lieferung von 300.000 Dosen im April, 500.000 Dosen im Mai und 200.000 Dosen Anfang Juni. Eine Kaufentscheidung sei aber noch nicht getroffen worden.
In der Europäischen Union ist "Sputnik V" derzeit noch nicht zugelassen. Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) hat aber ein sogenanntes rollierendes Verfahren zur Zulassung gestartet. Dabei können während eines Gesundheitsnotstands die notwendigen Daten bei Verfügbarkeit sukzessive eingereicht und geprüft werden. Das Verfahren kann so beschleunigt werden.
Nach Telefonat mit Putin
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe am 26. Februar mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert und über mögliche Lieferungen des russischen Impfstoffs Sputnik V nach Österreich gesprochen, so das Bundeskanzleramt. Noch am selben Tag sei eine Kontaktaufnahme mit dem Russian Direct Investment Fund (RDIF), der mit dem internationalen Vertrieb von Sputnik V beauftragt ist, erfolgt. Am 5. März habe Kurz dann mit Kirill Dmitriev, dem RDIF-Vorstandsvorsitzenden, gesprochen. Seitdem habe es bereits mehrere Videokonferenzen und Telefonate mit dem RDIF sowie dem russischen Botschafter in Österreich, Dmitri Ljubinski, unter Einbindung des Gesundheitsministeriums und der Finanzprokuratur gegeben.
Kurz hatte bis jetzt immer erklärt, dass die Voraussetzung für eine Lieferung nach Österreich eine EU-Zulassung des russischen Impfstoffes sei. In einer Stellungnahme am Dienstag betonte der Bundeskanzler, dass es beim Impfstoff "keine geopolitischen Scheuklappen geben" dürfe. "Das Einzige was zählen darf ist, ob der Impfstoff wirksam und sicher ist, nicht woher er kommt." Seit Februar sei man in einem guten Austausch mit der russischen Seite, wofür er sehr dankbar sei, so Kurz. "Wenn Österreich eine Million Impfdosen zusätzlich bekommt, wäre eine frühere Rückkehr zur Normalität möglich und wir können viele Menschenleben sowie Arbeitsplätze retten."
Opposition mit Vorbehalten
Kritisch äußerte sich indes FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer. Er habe bereits Anfang Februar den Kauf des russischen Impfstoffes gefordert, so Hofer. Das Beispiel rund um Sputnik V zeige, dass es die österreichische Regierung wieder einmal verschlafen habe, die richtige Schritte zu setzen. "In mittlerweile 57 Ländern kommt Sputnik V bereits zum Einsatz. Österreich könnte schon eines dieser Länder sein, würde der Gesundheitsminister nicht Anschober heißen", so der FPÖ-Chef.
"Ohne positiv abgeschlossenes Zulassungsverfahren darf Sputnik V in Österreich nicht verimpft werden. Das würde das Vertrauen der Bevölkerung in die Impfung aushöhlen und den Impffortschritt in Österreich nachhaltig gefährden", forderte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Er sehe nun den Gipfel des Impfchaos, das die Regierung Kurz verursacht habe, so Loacker: "Hätte die Regierung im Herbst nicht auf 1,5 Millionen Dosen Johnson&Johnson verzichtet, müsste die Regierung über solche Aktionen erst gar nicht nachdenken."
Reaktion der EU
Die EU-Kommission äußerte sich zu den Verhandlungen zwischen Wien und Moskau zu Sputnik V zurückhaltend. Der Impfstoff gehöre nicht zu dem von der EU-Kommission ausverhandelten Portfolio, sagte eine Sprecherin am Dienstag in Brüssel. Die EU-Behörde schloss Verträge mit den Pharmaunternehmen Biontech/Pfizer, AstraZeneca, Moderna und Johnson&Johnson ab.
"Für die EU ist es entscheidend, dass die Impfstoffe auf ihre Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit geprüft werden", betonte die Sprecherin mit Blick auf das Zulassungsverfahren durch die EMA weiter. Sie verwies außerdem, dass im Falle einer Notfallzulassung "Konsequenzen" zu tragen seien. So würde die Haftung nicht mehr bei den Herstellern, sondern bei den Mitgliedstaaten liegen. Die EU-Kommission verhandle nicht zu Sputnik V, hieß es letztlich. Man sei "zuversichtlich" mit der derzeitigen Impfstrategie, das Ziel, 70 Prozent der Erwachsenen in der EU bis Sommer geimpft zu haben, zu erreichen.