Die Leichenhalle des Krankenhauses Barreiro Montijo in Lissabon ist voll. So voll, dass nun vor dem Spital Kühlcontainer aufgestellt wurden, um die vielen Coronatoten bis zur Bestattung aufzubewahren. Immer mehr an Covid-19 erkrankte Menschen sterben in Portugal, weil es auf den Intensivstationen keine freien Betten mehr gibt. 43 Prozent aller seit Pandemiebeginn gemeldeten Infektionsfälle entfielen auf den Jänner. Im ersten Monat des Jahres starben 5576 an oder mit Corona.Das sind 44 Prozent aller Covid-19-Toten seit das Virus über Portugal kam.

Man müsse inzwischen vielerorts die Regeln der Katastrophenmedizin – also die "Triage" – anwenden, sagt Miguel Guimarães, Chef der Ärztekammer. Mit dramatischen Folgen: Wenn es für zwei Notfallpatienten nur ein Beatmungsgerät gibt, bekommt derjenige mit den besseren Überlebenschancen Vorrang. "Die Krankenhäuser befinden sich am Limit", räumt Gesundheitsministerin Marta Temido ein. Vor vielen Hospitälern stauen sich die Ambulanzen, die wegen der Überfüllung der Krankenhäuser oftmals stundenlang warten müssen, bis sie ihre Covid-19-Patienten an die Notaufnahme übergeben können. Deswegen werden nun im ganzen Land Feldlazarette aufgebaut. Allein zwei provisorische Hospitäler wurden dieser Tage in der Hauptstadt Lissabon installiert: auf dem Unicampus und auf dem Trainingsareal des nationalen Fußballverbandes.

Hilferuf an Europa

Nach einem Hilferuf der portugiesischen Regierung an die EU will die deutsche Bundeswehr medizinisches Personal und Material nach Portugal schicken. Auch Österreich kündigte Hilfe für Portugal an.
Im Frühling, während der ersten Coronawelle, war Portugal noch als Musterknabe gefeiert worden. Als Land, das dank einer disziplinierten Bevölkerung und vorausschauenden Regierung im Anti-Viren-Kampf offenbar alles richtig gemacht hatte. Womöglich hat die Nation am Südwestzipfel Europas zu sehr darauf vertraut, dass sie auch die neue Viruswelle nur streifen würde. Es kam anders – das EU-Land am Atlantik wurde über Nacht zum Hotspot Europas.



Die Ansteckungskurve geht steil nach oben. Nach Berechnungen der amerikanischen Johns Hopkins Universität schoss die 7-Tage-Häufigkeit auf über 800 Fälle pro 100.000 Einwohner. Täglich kommen im Schnitt 10.000 neue Infektionsfälle hinzu. Zudem wurden zuletzt fast 300 Coronatote in 24 Stunden gemeldet. Horrorzahlen für das Land mit 10,3 Millionen Einwohnern. Die Situation sei "dramatisch", so der sozialistische Regierungschef António Costa – auch, weil die höchst ansteckende britische Virusvariante als Infektionstreiber wirke: Laut Portugals Gesundheitsministerium hat diese bereits einen Anteil von etwa 30 Prozent.

Costa gibt zu, dass es ein Fehler war, in den letzten Monaten die Zügel locker zu lassen. Mittlerweile hat die Regierung das Land in einen harten Lockdown geschickt. Gastronomie, Einzelhandel und Schulen sind nun geschlossen.