Im Streit über knappen Corona-Impfstoff schien ein Krisentreffen der EU mit dem Hersteller AstraZeneca am Mittwoch geplatzt. AstraZeneca habe abgesagt, hieß es aus EU-Kreisen in Brüssel. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach dagegen nach dem Ministerrat bloß von einer Verschiebung auf Donnerstag, die an sich kein Problem sei. Anschober verwies auf "ganz klare vertragliche Zusicherungen": "Da kann man nicht herumdeuteln und Verträge unterschiedlich interpretieren." Wenig später habe dann wiederum ein Sprecher von Anschober erklärt, der Termin finde doch noch heute statt.
Die Kommission hatte das Treffen mit AstraZeneca auf Expertenebene für Mittwochabend einberufen. Hintergrund ist der Streit mit dem britisch-schwedischen Hersteller über Lieferkürzungen. Die Europäische Union verlangte von dem Unternehmen nach Angaben eines EU-Vertreters, den Liefervertrag mit der Staatengemeinschaft offenzulegen.
AstraZeneca-Chef Pascal Soriot hatte zuvor erklärt, sein Unternehmen sei nicht zur Lieferung bestimmter Mengen verpflichtet. Astrazeneca habe eine "Best Effort"-Vereinbarung mit der EU abgeschlossen. "Der Grund war, dass Brüssel mehr oder minder zum selben Zeitpunkt beliefert werden wollte wie die Briten - obwohl die drei Monate früher unterzeichnet hatten. Darum haben wir zugesagt, es zu versuchen, uns aber nicht vertraglich verpflichtet", erklärte Soriot gegenüber Medien. Der EU-Vertreter sagte, die "Best Effort"-Klausel sei Standard bei Verträgen mit Herstellern, deren Produkte sich noch in der Entwicklung befänden.
Statt 80 Millionen Impfdosen sollen nach EU-Angaben bis Ende März nur 31 Millionen ankommen. Den angegebenen Grund - Probleme in der Lieferkette - will die EU nicht gelten lassen. Sie fordert Vertragstreue. Die EU hatte schon im August bis zu 400 Millionen Impfdosen von AstraZeneca bestellt und nach eigenen Angaben 336 Millionen Euro für Entwicklung und Fertigung vorgestreckt. Nach Darstellung der EU-Kommission hätte AstraZeneca seit Oktober auf Vorrat produzieren müssen, damit der Impfstoff sofort nach der Zulassung in der EU bereitsteht.
Die Brüsseler Behörde steht selbst in der Kritik, weil Impfstoff in der EU knapp ist und bisher prozentuell weit weniger Menschen immunisiert wurden als etwa in Großbritannien oder Israel. Das liegt zum Teil daran, dass die Mittel in der EU eine Marktzulassung statt nur einer Notfallzulassung bekommen sollen, was länger dauert. So hat die Impfkampagne später begonnen. Inzwischen sind Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna zugelassen, die von Anschober am Mittwoch quasi als Seitenhieb auf AstraZeneca ein Extralob für pünktliche Lieferung und Verträglichkeit des Impfstoffs bekamen. AstraZeneca wäre Nummer drei.
Der Chef von AstraZeneca sah nun den langsamen Vertragsabschluss als Grund für Lieferengpässe. Soriot sagte der "Welt" (Mittwoch): "Wir sind in Europa jetzt zwei Monate hinter unserem ursprünglichen Plan." Man habe auch Anfangsprobleme in Großbritannien gehabt. "Aber der Vertrag mit den Briten wurde drei Monate vor dem mit Brüssel geschlossen. Wir hatten dort drei Monate mehr Zeit, um Pannen zu beheben."