Im Streit um knappe Corona-Impfstoffe versucht die Europäische Union am Mittwoch erneut, den Hersteller AstraZeneca zur raschen Lieferung vertraglich zugesicherter Mengen zu bewegen. Die EU-Kommission hat Vertreter des Konzerns (für 18.30 Uhr) zur Krisensitzung mit Experten der EU-Staaten geladen. Hintergrund ist die Ankündigung der britisch-schwedischen Pharmafirma, nach der für diese Woche erwarteten Zulassung zunächst weniger Impfstoff zu liefern als vereinbart.
Statt 80 Millionen Impfdosen sollen nach EU-Angaben bis Ende März nur 31 Millionen ankommen. Den angegebenen Grund - Probleme in der Lieferkette - will die EU nicht gelten lassen. Sie fordert Vertragstreue. Die EU hatte schon im August bis zu 400 Millionen Impfdosen von AstraZeneca bestellt und nach eigenen Angaben 336 Millionen Euro für Entwicklung und Fertigung vorgestreckt. Nach Darstellung der EU-Kommission hätte AstraZeneca seit Oktober auf Halde produzieren müssen, damit der Impfstoff sofort nach der Zulassung in der EU bereitsteht.
Im Überblick
AstraZeneca hatte am Freitag mitgeteilt, nach der für diese Woche erwarteten Zulassung durch die Europäische Arzneitmittelbehörde(EMA) zunächst weniger Impfstoff als geplant an die EU liefern zu wollen. Statt 80 Millionen Impfstoffdosen sollen bis Ende März nur 31 Millionen eingeplant sein. Insgesamt erwarb die EU mindestens 300 Millionen Impfdosen. Der Vertrag sieht eine Option zum Kauf weiterer 100 Millionen Einheiten vor.
Wie reagierte die EU-Kommission?
Die EU ist verärgert und fordert die Einhaltung der Liefervereinbarung. Europa habe "Milliarden investiert, um die Entwicklung der weltweit ersten Covid-19-Impfstoffe zu unterstützen", bekräftigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag. "Und jetzt müssen die Firmen liefern, sie müssen ihre Verpflichtungen einhalten."
Den Hinweis von AstraZeneca auf Produktionsprobleme bei einem Zulieferer in Belgien hält die Kommission für nicht stichhaltig. Die EU hatte dem Pharmakonzern laut einem Sprecher 336 Millionen Euro im Voraus bezahlt. Das EU-Geld sollte laut EU-Kommission vor allem in dem Aufbau von Produktionsstätten in Europa investiert werden.
Wie geht die EU-Kommission gegen AstraZeneca vor?
Die EU-Behörde plant nun einen "Transparenzmechanismus für den Export von Impfstoff" in Länder außerhalb der EU. In Brüssel gibt es den Verdacht, dass das Unternehmen andere Länder wie Großbritannien mit ungekürzten Mengen beliefert. "Wir sehen, dass Dosen anderswohin geliefert werden", sagte der Kommissionssprecher. Da die EU Vorauszahlungen für die Produktion geleistet habe, "sollten diese Dosen eigentlich für die Lieferung verfügbar sein", sobald die EMA grünes Licht gebe. Exportverbote sind allerdings keine geplant.
EU-Kommissar Johannes Hahn betonte, bis Ende der Woche eine Lösung finden zu wollen. Wenn es zu keiner befriedigenden Antwort von AstraZeneca komme, dann seien natürlich rechtliche Schritte - wie sie schon EU-Ratschef Charles Michel in den Raum stellte - eine mögliche Konsequenz.
Was bedeutet das für Österreich?
Es wird zu Verzögerungen kommen. Im ersten Quartal könnten laut unbestätigten Berichten über eine Mio. Impfdosen fehlen, wie die "Presse" berichtete. Allerdings kann Biontech/Pfizer laut dem Österreich-Geschäftsführer Robin Rumler dem Bericht zufolge im ersten Quartal trotz temporärer Produktionseinschränkungen letztlich 1,1 Millionen statt der geplanten 900.000 Dosen liefern.