In 30 Minuten liefert ein an der Wiener Klinik Donaustadt entwickelter SARS-CoV-2-Test einen Nachweis des Erbguts des Virus. Das auf der sogenannten LAMP-Methode zur Vervielfältigung der Erbinformation basierende Verfahren wurde nun in Zusammenarbeit mit der Wiener Firma Ingenetix zur Marktreife gebracht und europaweit zertifiziert. Der rasche und günstige Test "schließt eine sehr wichtige Lücke", wie Ko-Entwickler Walter Klimscha im Gespräch mit der APA erklärte.
Wie auch beim Standardverfahren zum Nachweis des neuen Coronavirus - dem PCR-Test - geht es beim "Loop-mediated isothermal amplification"-Verfahren (LAMP) um das Auffinden kleiner Mengen des Erbguts des Virus. Die Methode an sich ist seit rund 20 Jahren eine bekannte und etablierte Reaktion, die der Bioinformatiker Armin Robubi und der Leiter der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Klinik Donaustadt, Klimscha, für den SARS-CoV-2-Nachweis weiterentwickelt haben. Auf Basis der gleichen Reaktion hat in den vergangenen Monaten auch ein Team um Forscher vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) und vom Institut für Molekulare Biotechnologe (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ähnliche Verfahren entwickelt.
Einfach und schnell
Im Gegensatz zum PCR-Test sind hier aber keine Hightech-Laborgeräte notwendig. Im Fall des Tests der beiden Mediziner wird die mittels Rachenabstrich entnommene Probe in Kochsalzlösung aufgelöst. Dann wird die LAMP-Reaktion ohne weitere Proben-Aufbereitung gestartet. Die Erbgut-Vervielfältigung erfolgt bei einer konstanten Temperatur um 63 Grad Celsius. Beim PCR-Test muss hingegen ein komplexer und exakter Wechsel der Temperatur eingehalten werden, was nur mit Spezialgeräten bewerkstelligt werden kann und etwa drei bis vier Stunden dauert. Der Vorteil von LAMP-Tests liegt also in ihrer relativen Einfachheit und der deutlich kürzeren Dauer bis zum Ergebnis.
Der Ausgangspunkt für die Entwicklung an der Klinik Donaustadt (vormals SMZ-Ost) war der Mangel an Testmöglichkeiten auf Covid-19-Infektionen am Beginn der Pandemie in ganz Österreich. Robubi hatte dann die erste Idee für die Eigenentwicklung, so Klimscha. Nach anfänglicher Skepsis der Spitalskollegen gegenüber dem experimentellen Verfahren konnten die Wissenschafter durch eine Studie und in der klinischen Praxis zeigen, dass es funktioniert. "Wir haben den Test dann so weit verfeinert, bis er wirklich gut funktioniert hat", sagte Klimscha. Das führte in der Folge zu einer ersten hausinternen Zertifizierung. Ab Ende September war auch der an Wiener Schulen eingesetzte "Cluster Buster Bus" mit mobilem Labor an Bord mit dem neuen Verfahren unterwegs, was "viele Erfahrungswerte" mit sich brachte.
Europaweite Zertifizierung
"Gewisse Vorbehalte" blieben mancherorts dennoch und können nun hoffentlich mit der breiteren Überprüfung und der seit Anfang Dezember bestehenden europaweiten Zertifizierung ausgeräumt werden. Es handle sich hier um den ersten RT-LAMP-Test aus Österreich mit europaweiter CE-Zertifizierung als "In-vitro Diagnostikum" (IVD), heißt es seitens des Wiener Gesundheitsverbundes, zu dem die Klinik Donaustadt gehört. Klimscha: "Damit steht einer kommerziellen Anwendung auch durch Labors nichts mehr im Wege und auch die rechtliche Basis für die Verwendung ist geschaffen."
Aufgrund der Geschwindigkeit und der Möglichkeit, trotzdem auch recht geringe Virenkonzentrationen von lediglich rund 100 Erregern pro Probe direkt nachzuweisen, könne der Test dort von Nutzen sein, wo schnell auch Menschen mir relativ wenig Viruslast erkannt werden müssen. Das trifft etwa auf Alten- und Pflegeheime oder Krankenhäuser zu.
Klar sei, dass der PCR-Test als "Goldstandard" noch weniger Viren - nämlich 1 bis 20 pro Probe - detektieren kann. Reinigt man die Probe auch noch auf, komme man mit dem Wiener Test in ähnliche Gefilde eines Anschlagens bei mitunter um die 40 Viren, erklärte Klimscha. Aber schon beim Nachweis von 100 Erregern liege man in einem Bereich, bei dem das deutsche Robert Koch Institut (RKI) anmerkt, dass Personen dann gar nicht mehr infektiös sind."Der Test ist sehr robust und auch für den Feldeinsatz geeignet" und damit in "kritischen Einheiten" wie Betreuungseinrichtungen für ältere oder vorerkrankte Menschen direkt einsetzbar. Ein Selbsttest sei das Verfahren aber nicht, wie der Mediziner betonte: "Er spielt seine Stärken in den Händen von Experten aus." Insgesamt lasse sich so die Lücke zwischen den nicht für alle Anwendungen ausreichend präzisen Antigen-Schnelltests und dem PCR-Verfahren schließen. Schlussendlich könne so Spitalspersonal sehr präzise und zeitnah mehrmals getestet werden. Möglich sei auch das Verwenden von Proben aus Nasenabstrichen oder Gurgeltests. "Der Test ist nicht die eierlegende Wollmilchsau", in der Pandemie für epidemiologischen Ansprüche aber vermutlich das derzeit "geeignetste Verfahren", zeigte sich Klimscha überzeugt.