"Die Dinge beschleunigen sich": Der Covid-Sonderbeauftragte im Gesundheitsministerium, Clemens Martin Auer, hält es für möglich, dass der erste Impfstoff im Dezember zugelassen und mit den Impfungen im Jänner begonnen wird. Zwar sei die Zulassung noch die große Unbekannte, aber aus den Zeitplänen der Hersteller der sieben Impfstoffe, für die es Verträge gibt, sei es realistisch, dass bis zum Sommer so viel zur Verfügung stehen wird, dass jeder in Österreich, der dies wünscht, auch geimpft werden kann, so Clemens Martin Auer, Covid-Sonderbeauftragter im Gesundheitsministerium, am Freitag im ORF-Mittagsjournal. Die ersten Impfstoffe könnten schon im Jänner eintreffen.
Österreich werde insgesamt sieben Impfstoffe zu Verfügung haben. Auer rechnet damit, dass alle Österreicher, die das wollen, bis zu den Sommermonaten geimpft werden können.
Abhängig von Behörden
Dies hängt aber von der europäischen Zulassungsbehörde ab. Hier habe BioNtech/Pfizer mit seinem Kandidaten die Nase vorne. Die bisher übermittelten Daten sehen sehr gut aus, bezog sich Auer auf Rückmeldungen aus der Zulassungsbehörde sowie der wissenschaftlichen Community. Auch wenn dies noch nicht gesichert sei, sei es realistisch, dass es noch heuer eine Zulassung geben wird. "Wir sind auf jeden Fall organisatorisch in der Lage, dass wenn die ersten Lieferungen im Jänner kommen, dass wir auch in Österreich zu impfen beginnen."
Kein weiterer Lockdown?
Die ersten Mengen würden nicht so groß sein, aber in einer ersten Phase würden die Bewohner der Alters- und Pflegeheime geimpft, danach das dortige Personal und jenes in den Krankenanstalten und im gesamten Gesundheitsbereich. Auer dämpfte Hoffnungen, dass mit den ersten Impfungen sofort die komplette Normalität einkehren würde. Mit einer Durchimpfungsrate von 50, 60 Prozent sei jedoch die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Lockdowns sehr gering.
Notfallzulassung beantragt
Das Mainzer Unternehmen BioNtech und der US-Pharmariese Pfizer haben bei der US-Arzneimittelbehörde FDA eine Notfallzulassung für ihren Corona-Impfstoff beantragt. Das berichteten beide Firmen am Freitag in einer gemeinsamen Mitteilung. Die Lieferung des Impfstoffs namens BNT162b2 könnte Ende dieses Jahres beginnen, sollte es eine Genehmigung geben, hatte BioNtech bereits mitgeteilt.
BioNtech und Pfizer sind die ersten westlichen Hersteller, die vielversprechende Studienergebnisse veröffentlicht und eine Notfallzulassung bei der FDA beantragt haben. Zuvor hatten die Unternehmen bekanntgegeben, dass die Impfung einen 95-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19 biete. Das Vakzin funktioniere über alle Altersgruppen und andere demografische Unterschiede hinweg ähnlich gut und zeige praktisch keine ernsten Nebenwirkungen, hatten die Firmen nach Abschluss letzter Analysen mitgeteilt.
Die FDA muss den Antrag nun prüfen. Wie lange das dauern könnte, war zunächst unklar. US-Experten zeigten sich aber zuversichtlich, dass es noch vor Jahresende ein Ergebnis der Prüfung geben könnte. Für Corona-Impfstoffe gilt wegen der besonderen Dringlichkeit ein beschleunigter Zulassungsprozess.
Zweite Dezemberhälfte
Bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA und in weiteren Ländern reichen BioNtech und Pfizer bereits permanent Daten ein. Mit diesem rollierenden Verfahren können Hersteller schon vor dem kompletten Zulassungsantrag einzelne Teile zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats weitergeben. Einen kompletten Zulassungsantrag wie bei der FDA haben sie bei der EMA jedoch noch nicht gestellt. Bereits in der zweiten Dezemberhälfte könnte ein erster Impfstoff in Europa jedoch zugelassen werden, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Donnerstag unter Bezug auf Informationen der EMA.
Faire Verteilung
Nach einer Zulassung sollen die vorhandenen Dosen nach Unternehmensangaben "fair" verteilt werden. Es werde nicht "ein Land alles erhalten". Die EU hat bereits einen Rahmenvertrag über den Kauf von 300 Millionen Dosen des Impfstoffs von BioNtech und Pfizer abgeschlossen. Österreich kann aus diesem Rahmenvertrag mit rund zwei Prozent der Menge rechnen.
Projekt Lichtgeschwindigkeit
BioNtech hatte bereits Mitte Jänner angefangen, den Impfstoff BNT162b2 im Projekt "Lightspeed" (Lichtgeschwindigkeit) zu entwickeln. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-3-Studie begann ab Ende Juli in verschiedenen Ländern.
Das Präparat ist ein sogenannter mRNA-Impfstoff, der auf einem neuen Mechanismus basiert. Er enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt - in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.
Schnellere Produktion
Ein Vorteil von mRNA-Impfstoffen ist, dass sie wesentlich schneller als konventionelle Impfstoffe produziert werden können. BioNtech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen bereitzustellen, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen. Der Impfstoff muss jedoch bei minus 70 Grad gelagert werden. Pfizer habe große Erfahrungen darin, Impfstoffe gekühlt zu lagern und zu transportieren und verfüge bereits über eine entsprechende weltweite Infrastruktur, teilten die Unternehmen mit.
BioNtech war im Jahr 2008 von Sahin, seiner Frau Özlem Türeci und dem österreichischen Krebsforscher Christoph Huber gegründet worden. Vor zwei Jahren schloss das Unternehmen eine Kooperationsvereinbarung mit Pfizer, die im März dieses Jahres angesichts der Corona-Pandemie auf die Suche nach einem Impfstoff ausgeweitet wurde.
Neben BioNtech/Pfizer arbeiten derzeit auch mehrere andere Pharmafirmen in fortgeschrittenem Stadium an Corona-Impfstoffen, darunter Johnson&Johnson, Astrazeneca und Sanofi-GSK. Länder wie Russland, China und kürzlich erst Bahrain haben bereits Impfstoffe mit Einschränkungen freigegeben und impfen damit bereits Teile der Bevölkerung. Wie gut diese Impfungen tatsächlich schützen und welche Nebenwirkungen sie haben können, ist allerdings derzeit weitgehend offen.