1 Österreich will wie die Slowakei Massentests. Mit welchem Ziel?
Dazu gab Kanzler Sebastian Kurz beim EU-Coronagipfel eine klare Antwort: „Es muss unser Ziel sein, eine dritte Welle zu verhindern und Weihnachten zumindest im kleinen Familienkreis zu ermöglichen.“ Deshalb wolle Österreich „nach dem erfolgreichen Beispiel der Slowakei“ auch auf Massentests setzen. Nimmt man das Ergebnis der Nachbarn als Maßstab, dürften bei uns bis zu 20.000 Infizierte entdeckt werden.
2 Wie sehen das die heimischen Ärzte?
Die Ärztekammer sieht diesen Weg, das Infektionsgeschehen einzudämmen, kritisch. Antigen-Massentests seien nur bei richtiger Handhabe zielführend. Um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen, müsste man „die entsprechende Personengruppe mehrmals in kurzen Abständen erneut testen“, sagt Ärztekammer-Vize Herwig Lindner. Ein bundesweiter Einmaltest bringe nach seiner Einschätzung nur eine unscharfe Momentaufnahme. Viele Medizinexperten sehen eine echte Wirksamkeit erst nach drei kurz aufeinanderfolgenden Tests in Serie.
3 Was ist der Hauptvorwurf der Ärzte?
Bei Verdachtsfällen sei der PCR-Test ein wichtiges Diagnoseinstrument. PCR-Tests bei Symptomlosen durchzuführen, sorgt aber laut Lindner nur für die Verknappung von Kapazitäten. Es sei angesichts möglicher Kollateralschäden bei Patienten an der Zeit, zur Politik der Vernunft zurückzufinden, mit Maß und Ziel zu handeln: „Ziel muss es sein, alle zu versorgen, die medizinische Hilfe benötigen. Die Kette Anamnese – Verdachtsdiagnose – diagnostische Schritte – Diagnose – Therapie gilt immer noch“, sagt Lindner.
4 Was spricht für einen Massentest?
In der Regierung geht man davon aus, dass auf diesem Weg Infektiöse sehr früh – noch vor ersten Symptomen – entdeckt werden. Das kompensiere den Nachteil der klassischen Kontaktnachverfolgung, bei der man meist spät dran ist, denn Infizierte seien im Schnitt schon zwei Tage infektiös, bevor sich Symptome bemerkbar machen. Danach vergehe noch einmal wertvolle Zeit, bis ein Befund vorliege. So schätzt die Regierung, dass ein Viertel des tatsächlichen Infektionsgeschehens unentdeckt ist. Zudem, so argumentiert man in Wien, ist ein Massentest in der Summe die weit günstigere Bekämpfungsmethode als ein milliardenteurer Lockdown.
5 Was spricht gegen den Massentest?
Schon jetzt lassen Diskussionen im Internet befürchten, dass die Teilnahme nicht umfänglich sein könnte. Zudem ist der logistische Aufwand hoch, was auch in der Regierung als Kritikpunkt intern angeführt wird. Schließlich, und darauf weisen immer wieder Experten hin, sei das Risiko einer falschen Befundung vorhanden. Damit würden zwei Tage unnötige Quarantäne angeordnet, ehe der Befund in einem neuen Test falsifiziert werden könne. „Denn das massenweise Testen von Symptomlosen produziert neben falsch negativen auch Tausende von falsch positiven Ergebnissen“, sagt auch ÖÄK-Vize Lindner.
6 Wie soll das Testen praktisch ablaufen?
Zwei bis vier Millionen Tests werden angepeilt, um eine Quote von 65 Prozent zu erreichen. Alle Tests werden freiwillig sein. Sanktionen soll es keine geben. Darauf hätten die Grünen gedrängt, heißt es aus der Partei. Mitarbeiter der Rettung, Pfleger und Krankenschwestern sollen unter Führung des Bundesheers unmittelbar vor Weihnachten und in einer zweiten Runde nach den Weihnachtsferien die Teststationen betreiben. Standorte sollen entweder die Bezirkshauptstädte oder die einzelnen Gemeinden sein. Es werden Zeitfenster via Internet vergeben. Und es wird Drive-in-Möglichkeiten geben. In Südtirol wird ab morgen in allen Gemeinden direkt getestet. Die Teststandorte werden sich aber nicht als Impforte weiterführen lassen, sobald der Stoff verfügbar ist, weil Kühlmöglichkeiten fehlen.
7 Wer kommt zuerst an die Reihe?
Es gibt in der Regierung das Planspiel, Lehrer und Kindergärtner als erste systemrelevante Berufsgruppe unmittelbar nach dem Lockdown in einer Art Feldversuch zu testen. Damit soll der geplante Schulstart am 7. Dezember gesichert werden. Danach sollen alle anderen Freiwilligen an die Reihe kommen. Genügend Tests soll es jedenfalls geben. Die Regierung hat angeblich mit Siemens und La Roche informelle Gespräche geführt und die Lieferung von vier Millionen Einheiten zugesagt bekommen.
Ingo Hasewend