Wie stark alte und teilweise geschwächte Menschen durch das Coronavirus gefährdet sind, zeigen sich an den Todesraten in den Altersheimen Europas.

Auch in Österreich ist ein massiver Anstieg der Covid-Toten verzeichnet worden. Mehr als die Hälfte aller Covid-19-Opfer in Heimen (323 von 607) wurde alleine in den vergangenen 40 Tagen verzeichnet. Im Burgenland wurden überhaupt 100 Prozent der Corona-Toten in Heimen im Zeitraum vom 1. Oktober bis 12. November verzeichnet, in Niederösterreich waren es 91 Prozent und in Oberösterreich 82 Prozent.

Ein Überblick über die Lage in Europa:

Belgien

Die Seniorenheime sind während der ersten Corona-Krise sich selbst überlassen worden, so der vernichtende Bericht der Organisation "Ärzte ohne Grenzen"

Mitarbeiter der Organisation hatten während der akuten Krise landesweit in 135 Senioren- und Pflegeheimen ausgeholfen. In dem Bericht heißt es, Bewohner und Personal seien auf der ganzen Linie allein gelassen worden.

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Um italienische und spanische Szenarien zu vermeiden, habe man sich in Belgien ausschließlich auf die Krankenhäuser fokussiert. In den Altenheimen habe es kein Schutzmaterial, keine Testmöglichkeiten, zu wenig Personal und kaum medizinische Betreuung gegeben. Erkrankte Senioren seien nur in Ausnahmefällen in Krankenhäuser gebracht worden.

Bei fast Zweidrittel der 9.731 Todesopfer in Belgien handelt es sich laut „Ärzte ohne Grenzen“ um Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen. Von den 6.200 Betroffenen seien 4.900 in den Einrichtungen gestorben.

Spanien

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat auch die Zustände in spanischen Seniorenwohnheimen scharf kritisiert. Dringende Maßnahmen seien nötig, um die Bewohner besser zu schützen und zu verhindern, dass es in diesen Einrichtungen in Zukunft wieder eine hohe Zahl von Todesfällen in Zusammenhang mit Covid-19 gebe, warnte die Organisation.

Während der ersten Welle habe es eine "inakzeptable Vernachlässigung" der Insassen von Altersheimen gegeben. Die Virusausbreitung habe ein strukturelles Defizit an Ressourcen, medizinischer Aufsicht und Notfallplanung in den Altersheimen landesweit aufgedeckt.

Nach Angaben des Madrider Ministeriums für Gesundheit starben zwischen dem 6. April und dem 20. Juni 27.359 Bewohner in den mehr als 5.000 Altersheimen des Landes. Diese hohe Sterblichkeit war laut Bericht die Folge ernster Mängel beim Management der Pflegeheime sowie in der Koordination zwischen den verschiedenen Behörden und Betreibern.

Im Bericht wird unter anderem ein Feuerwehrchef zitiert, der Desinfektionsaktionen in Altersheimen geleitet habe. Heimmitarbeiter hätten aus "Angst, die Kontrolle zu verlieren", die Senioren gegen deren Willen zum Teil in den Zimmern eingesperrt, heißt es. "Es gab viele geschlossene Türen, zum Teil mit Schlüssel abgeschlossen, und Menschen, die (an den Türen) klopften und inständig darum baten, rausgehen zu dürfen. Ein Horror".

Schweden

In Schweden ist die Todesrate hoch für insgesamt 10,2 Millionen Einwohner. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind rund zehn Prozent der Sterbefälle in Schweden auf Covid-19 zurückzuführen. Damit war die durch das Coronavirus ausgelöste Krankheit die dritthäufigste Todesursache. 

Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung äußert sich Staatsepidemiologe und Architekt des Sonderweges Anders Tegnell dazu. "Der Grund für die zu Beginn der Pandemie vielen Toten waren punktuelle Schwachstellen beim Infektionsschutz in Altenheimen, die eigentlich auch ohne eine Pandemie funktionieren muss“, sagt er. Tatsächlich sind sehr alte und oft schwer kranke Menschen besonders gefährdet für Infektionen. Zudem stecken Schwedens Altenheime seit langem in der Kritik wegen der teils haarsträubend schlechten Pflegequalität. 

Italien

Auch Italien hatte bei der ersten Welle viele Tote in Heimen zu beklagen: Eine Studie der lombardischen Gesundheitsbehörden bestätigt eine hohe Anzahl von Coronavirus-Todesfällen in Seniorenheimen. Bis zum 31. Juli hätten sich 14.703 Patienten in lombardischen Altersheimen angesteckt, 3.378 seien gestorben, berichtete der Gesundheitsbeauftragte der Region Lombardei, Giulio Gallera, laut Medienangaben.

Nach Angaben des Obersten Gesundheitsinstituts ISS hatten sich 7,4 Prozent der Personen, die zwischen Februar und Mai 2020 in lombardischen Seniorenheimen gestorben sind, mit Covid-19 infiziert. In Altersheimen in der vom Coronavirus besonders betroffenen Provinz Bergamo lag dieser Prozentsatz bei 16,5. Der Höhepunkt der Todesfälle in den italienischen Seniorenheimen wurde im Zeitraum zwischen 16. und dem 31. März gemeldet.

Die meisten Altersheime seien auf den Umgang mit der Epidemie unvorbereitet gewesen, teilte das ISS-Institut mit. Die Staatsanwaltschaft in der Lombardei ermittelt bereits in mehreren Fällen wegen Missmanagements in derartigen Einrichtungen. Die hohe Sterblichkeit sei auf schlechte Vorbereitung und mangelnde Unterstützung zurückzuführen, lautet der Verdacht.

Der zuvor schon problematische Personalmangel, fehlende Schutzausrüstung für die Angestellten und unzureichende Koordination zwischen Krankenhäusern und Heimen hätten dazu geführt, dass die Gesundheitskrise dort besonders dramatische Auswirkungen hatte, so der Vorwurf von Familienangehörigen der in Seniorenheimen Verstorbenen. Das Krisenmanagement in vielen Heimen sei chaotisch und das Pflegepersonal zu oft auf sich allein gestellt gewesen, kritisieren Hinterbliebene.