Österreich hat beim Infektionsgeschehen mit dem Coronavirus "die Lage gerade noch im Griff", erklärte der Wiener Virologe Norbert Nowotny. Allerdings wären nun Verschärfungen des Lockdowns nötig und absehbar. Bis Ende des Sommers 2021 muss man sich mit solchen Methoden "durchkämpfen", dann könnte man die Covid-19-Pandemie mit einem Impfstoff und einer guten Durchimpfungsrate in den Griff bekommen, sagte er bei einem Onlinegespräch der Österreichischen Tierärztekammer (ÖTK).
"Ich gehe von Verschärfungen des Lockdowns durch die Bundesregierung aus, hoffe aber, dass die Schulen vor allem für die unter 14-Jährigen offen bleiben", so Nowotny, der am Institut für Virologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien forscht. Laut Fachpublikationen und der Meinung der meisten seiner Kollegen weltweit würden Kinder nämlich keine große Rolle im Infektionsgeschehen spielen. "Sie haben weniger Andockstellen für das Virus auf ihren Zellen sowie ein wirklich gut funktionierendes Immunsystem, und geben daher weniger Viren weiter", erklärte er. Trotzdem sei es wichtig, dass in Schulen mehr Maßnahmen gegen Ansteckungen getroffen werden.
Bis zum Sommer 2021 müsste man sich wie bisher "durchkämpfen", sagte der Virologe. Es sollte zwar schon im Frühjahr ein wirksamer und sicherer Impfstoff zur Verfügung stehen, aber bis mehr als die Hälfte der Bevölkerung geimpft ist, was für eine "Herdenimmunität" nötig ist, würde einige Zeit vergehen. "Laut Impfstrategie der Bundesregierung sind zuerst die Risikopersonen dran, und dann Menschen in der kritischen Infrastruktur wie etwa Spitalspersonal", erklärte er: "Der Impfschutz sollte dann ein Jahr lang halten, vielleicht auch länger".
Der kürzlich vorgestellte Corona-Impfstoff der Firmen Biontech und Pfizer sei vielversprechend. "Wir wussten von vornhinein, dass solch ein Impfstoff mit Boten-RNA Vorteile hat, denn er ist leicht und in großen Mengen herstellbar, kostengünstig und sicher", sagte er: "Boten-RNA überlebt nämlich nicht lange im Körper und kann sich deshalb nicht in das Erbgut einschleichen". Es sei aber unklar gewesen, ob solch ein Impfstoff ausreichend wirksam ist, denn es gäbe noch keinen, der zugelassen ist. "Dieser Impfstoff wurde nun bei 44.000 Probanden getestet und scheint sicher zu sein und auch zu wirken", so Nowotny: "Es gibt aber auch noch andere Arten von Impfstoffen in der Entwicklungs-Pipeline".
Die Wirksamkeit von Impfstoffen sollte nicht durch Veränderungen an der Andockstelle des Virus beeinträchtigt werden, wie es kürzlich bei den Coronaviren in dänischen Nerzfarmen passierte, meint er: "Wir gehen davon aus, dass diese Mutation einen Vorteil bei der Vermehrung der Viren bei Nerzen hat, aber nicht bei Menschen".
Andere Tiere als Marderartige, zu denen neben Nerzen zum Beispiel auch Frettchen gehören, wären recht sicher vor dem Coronavirus. Bei allen Haus- und Nutztieren sind die ACE2-Rezeptoren, wo das Virus andockt, um in die Zellen einzudringen, zu verschieden von den Rezeptoren bei Menschen, als dass sie "wirklich empfänglich für eine Infektion" sind, berichtet der Experte. In rund einem Dutzend von Fällen haben zwar infizierte Menschen ihr Haustier angesteckt, dort waren die Viren aber in einer Sackgasse gefangen. "Es gibt keinen einzigen Fall, wo sie von einem Hund oder einer Katze auf einen Menschen übertragen wurden", sagte Nowotny.
In Zukunft müsse man alle zehn bis fünfzehn Jahre mit einer Pandemie rechnen. "Bei den Virusgruppen, die da kommen können, stehen weiterhin Influenza-A-Viren an erster Stelle, aber auch mit Coronaviren müssen wir wieder rechnen", erklärte er. Um die Gefahr zu senken, dass ein anderes Coronavirus wieder erfolgreich von anderen Tieren zu Menschen überspringt, sollten "die Lebendtiermärkte in China ein für alle Male verschwinden", so der Virologe.