Die schockierendsten Nachrichten kamen Mitte der Woche aus der Gegend um Neapel. In Castellamare di Stabia, am Fuß des Vesuvs, starben vier Corona-Patienten während sie im Krankenwagen auf die Einlieferung ins Krankenhaus warteten. In einem Krankenhaus Neapels wurde ein Corona-Patient gar tot in der Toilette aufgefunden.
623 Todesopfer wurden am Mittwoch in Italien gezählt, in keinem EU-Land sterben derzeit mehr Menschen an Covid-19. Am Mittwoch war zudem die Rekordmarke von einer Million Ansteckungen geknackt worden. Italien schien bis zum Sommer die Epidemie im Griff zu haben. Jetzt steckt man wieder mittendrin im Schlamassel.
"Die Krankenhäuser sind am Rande des Zusammenbruchs", schrieb ein Zusammenschluss von Internisten, Geriatern und Krankenpflegern in einem offenen Brief. Die Kliniken befänden sich am Rande ihrer Kapazitäten "wegen zu wenig Personal und zu wenig Betten angesichts des anormalen Zustroms von Kranken aufgrund der schnellen und schwindelerregenden Verbreitung der Corona-Infektionen", heißt es. Die Situation sei "dramatisch". In Italien befinden sich derzeit rund 30.000 Menschen wegen Covid zur Behandlung im Krankenhaus. Vor allem in der Lombardei spitzte sich die Lage zu. Kliniken mussten örtlich bereits Patienten wegen Überfüllung abweisen. Ähnliche Situationen wurden aus verschiedenen Spitälern in der Toskana, in Latium, in Kampanien und im Piemont gemeldet.
Die Intensivstationen sind derzeit das Sorgenkind in Italien: Örtlich sind sie bereits voll, landesweit liegt die Belegung bei rund 40 Prozent. In der Lombardei, im Piemont und in Umbrien sind teilweise 60 Prozent aller Intensivbetten belegt. In Südtirol ist die Kapazität der Krankenhäuser bereits komplett ausgeschöpft. Zwar gibt es Anzeichen dafür, dass die Ansteckungen infolge der Beschränkungsmaßnahmen nicht mehr exponentiell zunehmen. Die Zahl der Infektionen steigt dennoch weiterhin an, am Donnerstag wurden 37.978 registrierte Neuansteckungen gemeldet. Mindestens zwei Wochen müssen noch vergehen, bis auch die Einlieferungen in die Krankenhäuser abnehmen. Der Effekt der Neuansteckungen schlägt sich erst zehn bis 15 Tage später in den Einlieferungen nieder.
Angesichts dieses Szenarios warnte der Vorsitzende des Verbandes der italienischen Ärzteschaften Filippo Anelli zu Beginn der Woche vor einer dramatischen Verschlechterung der Lage bis Weihnachten. "Das Schlimmste kommt noch", sagte er und wies auf die drohende Grippewelle hin, die die Krankenhäuser zusätzlich belasten könnte. Jedes Krankenhausbett für einen Corona-Patienten werde Patienten mit anderen schweren Krankheiten vorenthalten. "Noch haben wir Zeit, das alles mit einem einmonatigen nationalen Lockdown zu verhindern. Die Alternative ist, dass das Gesundheitssystem die weiße Fahne hisst", warne Anelli. Der für Regionalangelegenheiten zuständige Minister Federico Boccia sagte offen: "Zu Weihnachten wird es besser sein, nur im engsten Familienkreis zu feiern."
Bereits jetzt befindet sich Italien in einem Teil-Lockdown. Zuletzt hatte das Gesundheitsministerium drei Zonen eingerichtet, in denen das Coronarisiko mittel (gelb), hoch (orange) und besonders hoch (rot) ist. Lombardei, Piemont, Kalabrien, Aosta-Tal und Südtirol sind bereits rote Zonen, hier dürfen die Menschen ihr Zuhause nur aus dringenden Gründen verlassen, Bars und Restaurants sind geschlossen. Auch Venetien, Friaul Julisch Venetien und Emilia Romagna führen strengere Maßnahmen ein. So dürfen Bürger in Parkanlagen Sport nur dann betreiben, wenn ein Abstand von zwei Metern eingehalten werden kann. Märkte werden geschlossen. Bald könnten auch die Regionen, Kampanien, Apulien und Ligurien als rote Zonen eingestuft werden. Gesundheitsminister Roberto Speranza soll bald Entscheidungen treffen.
Zuversichtlich stimmte am Dienstag immerhin, dass sowohl die Neuansteckungen als auch die Einlieferungen ins Krankenhaus wegen Covid-19 weniger stark anstiegen als zuletzt. Am Montag waren 2971 Patienten auf den Intensivstationen in Italien gezählt worden, eine Woche zuvor waren es 2225, der Anstieg ist weniger stark als zuletzt.