Franz Allerberger, Leiter der Abteilung für "Öffentliche Gesundheit" der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), ist bezüglich eines Impfstoffes gegen das Coronavirus weniger optimistisch als Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Er erwarte eine Vakzine gegen SARS-CoV-2 frühestens im Juli 2021, sagte er in der ORF-Ö3-Sendung "Frühstück bei mir" am Sonntag. Allerberger glaubt auch nicht, dass ein spezifisches Medikament kommt.
Grund zur Beunruhigung sieht der AGES-Experte aber nicht: "Es ist eine viel harmlosere Krankheit, als wir vor zehn Monaten gefürchtet haben, da dachten wir noch, die Sterblichkeit liegt bei 30 Prozent der Infizierten." Allerberger bestätigte eine neue Studie der Universität Stanford, die eine Corona-Sterblichkeit von 0,23 Prozent ausweist. "Der Wert passt haarscharf zu unseren Daten."
Schwieriger sah Allerberger die Entwicklung bei den Infektionen: "90 Prozent der Österreicher sind voll empfänglich und der Anteil älterer Menschen über 65 sollte nicht unterschätzt werden, weil dort der Anteil der Sterblichkeit deutlich höher ist als bei der saisonalen Grippe." Vor allem dem kommenden Winter sieht der Infektiologe besorgt entgegen: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht unser blaues Wunder erleben." Er ging davon aus, dass "die Fallzahlen sich verdoppeln oder noch höher gehen werden. Wenn wir einmal 4.000 oder 5.000 Neuinfektionen am Tag haben, müssen wir damit rechnen, dass die medizinische Versorgung auf Engpässe trifft, dass wir Todesfälle in Altersheimen sehen werden und die Politiker dann massiv unter Druck kommen."
Man könne im Prinzip die einzelnen Todesfälle nicht verhindern, sondern nur den Ablauf ein bisschen nach hinten schieben – "'flatten the curve', wie es heißt", konstatierte Allerberger. Den eigentlichen Gipfel der Corona-Infektionen sieht der Experte "im Dezember oder Jänner".
Die Verschärfung der Einschränkungen bewertete der AGES-Vertreter differenziert: "Es ist nicht so, dass bei jeder Maßnahme hundertprozentig belegt ist, dass sie die richtige Wirkung hat. Die Sperrstunde vorverlegen ist ein gutes Beispiel. Viele sagen, das ist ein Fehler, weil die Leute dann privat feiern. Aber es ist eine von vielen Maßnahmen. Es signalisiert, dass wir eben soziale Kontakte reduzieren müssen. Es geht darum, das Problembewusstsein zu unterstreichen." Einen zweiten Lockdown hält Allerberger derzeit nicht für notwendig: "Ich glaube, dass man mit Maßnahmen, die gelinder sind, das gleiche Ziel erreichen kann."