81 Tote bis Sonntagfrüh binnen 24 Stunden. Mehr als 15.000 Neuinfektionen. Am Tag zuvor waren es 84 Tote und knapp 13.900 Neuinfizierte gewesen. Doch es wird mit einer großen Dunkelziffer gerechnet, da es nicht genug Coronatests im Land gibt.

Die zweite Welle der Corona-Pandemie rollt über Großbritannien hinweg. Die britische Insel steht nach Ansicht von Wissenschaftlern an einem „Scheideweg“. Dem Land stünden schwere Zeiten bevor, erklärte der Epidemiologe Jonathan Van-Tam, einer der Berater der Regierung Johnsons, gestern. „Leider wird in den kommenden Wochen, genau wie die Nacht auf den Tag folgt, die Zahl der Todesfälle zunehmen.“ Er forderte die Briten auf, ihre sozialen Kontakte einzuschränken. Doch allein ein Blick in Londons Einkaufsstraßen vom Wochenende zeigt – die Briten halten sich großteils nicht an die Sicherheitsmaßnahmen in Sachen Corona, es herrscht dichten Gedränge und nicht jeder ist mit Mund-Nasen-Schutz unterwegs.

Mit seinen knapp 67 Millionen Einwohnern ist Großbritannien von der Pandemie besonders stark betroffen. Der Statistikbehörde zufolge gibt es etwa 58.000 Todesfälle, bei denen Covid-19 auf dem Totenschein erwähnt wurde. Van-Tam schätzt das mögliche Ausmaß der zweiten Welle dramatischer ein als das Ausmaß der ersten, da nun der Winter bevorsteht. „Die Jahreszeiten sind gegen uns“, so der Experte.
Das Risiko neuer Corona-Infektionen steigt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wenn es kühler wird und sich mehr Menschen in geschlossenen Räumen aufhalten.

Britische Experten fürchten außerdem, dass der chronisch unterfinanzierte und marode Gesundheitsdienst National Health Service (NHS) durch zusätzliche Grippefälle im Winter kollabieren könnte. Experten riefen daher zu Grippeimpfungen auf, doch auch dabei gibt es einen Mangel.

Besonders stark betroffen sind der Norden Englands, Schottland, Nordirland und Teile von Wales. Jeder Landesteil in Großbritannien entscheidet über seine eigenen Maßnahmen im Kampf gegen das Virus. Kritiker bemängeln, dass es innerhalb Englands so viele unterschiedliche Regelungen gibt, dass Wirrwarr entstanden sei. Premier Boris Johnson will Berichten zufolge daher heute im Parlament ein neues dreistufiges System von Maßnahmen vorstellen. Es könnte dazu führen, dass in großen Teilen Nordenglands Pubs und Restaurants geschlossen und Kontakte verschiedener Haushalte verboten werden.