Die Tiroler Wintersporthochburg Ischgl mutierte im Frühjahr binnen weniger Tage vom Tourismus- und Party-Hotspot zu einem der „Corona-Epizentren“ in Europa. Das Krisenmanagement Tirols geriet massiv ins Fadenkreuz. Inzwischen laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und vier Amtshaftungsklagen gegen die Republik Österreich.
Heute ist der vorläufige Höhepunkt der Causa:Die eingesetzte Expertenkommission stellt bei einer Pressekonferenz in Innsbruck ihren Bericht vor. Seit Anfang Juni hatte die sechsköpfige Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Ronald Rohrer 53 Auskunftspersonen angehört.
Rohrer erklärt, dass spätesten am 9. März dem Land klar hätte sein müssen, dass Lokale, Gondeln und Skibusse Hauptorte der Ansteckung mit dem Coronavirus waren. Die Schließung von Lokalen sei aber erst mit 10., jene des Skibetriebs erst mit 12. März angeordnet wurden.
Das sei aus "epidemiologischer Sicht" falsch gewesen, so Rohrer bei der Vorstellung des Berichts in Innsbruck.
Zudem habe der Bürgermeister von Ischgl die Verordnung zur Einstellung des Skibetriebs erst am 14. März kundgemacht. Das sei ein Verstoß gegen die Tiroler Gemeindeordnung, so Rohrer - die Kommission habe das bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.
Entlastet wurde das Land Tirol bzw. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) in anderer Hinsicht: Sämtliche Entscheidungen der Verantwortlichen der zuständigen Bezirkshauptmannschaften und die jeweilige zeitliche Abfolge sowie die Vorgangsweise des Landeshauptmannes sei "aus eigenem Entschluss und ohne Druckausübung von dritter Seite erfolgt".
Kurz handelte eigenmächtig
Kritisch ordnet die Kommission auch die Rolle von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein: Er habe die Quarantäne über das Paznauntal eigenmächtig - und, obwohl er nicht zuständig war - verkündet. Dadurch sei es zu panikartigen Reaktionen unter Urlaubern und Mitarbeitern in Ischgl gekommen. Mangels Vorbereitung mit den zuständigen Behörden sei die Abreise unkontrolliert und chaotisch erfolgt.
Die Tiroler NEOS pochen darauf, dass sich der Landtag in der nächsten Sitzung mit dem Bericht befassen soll. Das sei man den Bürgern schuldig, so Landessprecher Dominik Oberhofer. SPÖ-Chef Georg Dornauer wollte den Bericht erst in einem Sonderlandtag im November diskutieren. Die Tiroler FPÖ schoss sich bereits vor Bekanntwerden des Ergebnisses auf LH Platter ein.