Die heute, Mittwoch, fixierte deutsche Reisewarnung für Wien verschärft die wirtschaftliche Lage in der ohnedies bereits extrem geschwächten Stadthotellerie dramatisch, hieß es Mittwochabend aus der Wirtschaftskammer Österreich. Bereits zu Beginn dieser Woche hätten die strengeren Corona-Vorschriften für Veranstaltungen wie etwa Hochzeiten und die Schweizer Reisewarnung eine Stornowelle ausgelöst.
Die Schweiz hatte Wien wegen der stark steigenden Infektionszahlen bereits vergangenen Freitag auf die Liste der Corona-Risikogebiete gesetzt. Seit Montag gilt dort für Einreisende aus Wien eine Quarantänepflicht.
"Es hagelt Stornierungen"
"Es hagelt Stornierungen und Buchungen für den weiteren Herbst bleiben komplett aus", teilte die Obfrau des Fachverbandes Hotellerie der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Susanne Kraus-Winkler mit Blick auf "die aktuelle Hiobsbotschaft für den Wiener Tourismus" mit.
Zuletzt sei noch ein leichter Aufwärtstrend in der Branche erkennbar gewesen, einige Betriebe hätten sogar von einer "passablen Auslastung von 50 bis 60 Prozent im September und Oktober" berichtet. Aufgrund der aktuellen Entwicklung, der Absage von Veranstaltungen, Hochzeiten und Firmenseminaren sowie den Stornierungen der ausländischen Gäste, stehe man nun vor einer Auslastung von "nicht einmal 10 Prozent".
"Damit kann kein Betrieb auch nur annähernd kostendeckend geführt werden", so die Branchensprecherin besorgt. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer seien "einfach nur mehr verzweifelt und überlegen, ihre Betriebe wieder komplett zuzusperren", umriss Kraus-Winkler die Stimmung in der Branche.
Weitere Hilfsmaßnahmen nötig
Es sei nun besonders wichtig, weitere Hilfsmaßnahmen für durch die Coronakrise so stark getroffene Hotellerie, insbesondere die Stadthotellerie, auf den Weg zu bringen, betonte Kraus-Winkler. Konkret müsse der Fixkostenzuschuss Phase 2 rasch von der Europäischen Kommission freigegeben werden und die Umsatzsteuersenkung müsse "zumindest bis Mitte 2021" verlängert werden, bis die Betriebe auch wieder Umsätze erwirtschaften könnten. Weiters wäre nun das Kreditmoratorium zügig umzusetzen.
An die Wiener Stadtregierung richtete die Branchenvertreterin für Österreichs Hotellerie den dringenden Appell, "Versäumnisse bei der Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus in Wien schnellstens aufzuholen und die richtigen Maßnahmen zu setzen", um die Fallzahlen in den Griff zu bekommen. "Der Tourismus in Wien kann es sich nicht leisten, dass das Image von Wien einen noch größeren Schaden erleidet."
"Dann sehe ich schwarz"
In der Wiener Hotellerie herrschte bereits den ganzen Tag über helle Aufregung. "Wird Wien auf rot gesetzt, sehe ich schwarz für die Zukunft der Wiener Tourismusbetriebe", warnte Dominic Schmid, Obmann der Fachgruppe Hotellerie in der Wirtschaftskammer Wien, am Mittwoch. Der Wegfall deutscher Gäste wäre ein Todesstoß.
Am Mittwochabend wurde Wien von Deutschland als Risikogebiet eingestuft. Einreisende aus Risikogebieten müssen sich in Deutschland verpflichtend auf das Coronavirus testen lassen, sofern sie kein negatives Testergebnis vorweisen können, das höchstens 48 Stunden alt ist. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sieht in dem Schritt "keine Besonderheit".
Nachdem sich in den letzten Wochen eine mögliche leichte Erholung für den Herbst und Winter angekündigt hat, drohe dem Tourismus in Wien nun endgültig die Luft auszugehen, so Schmid. Seit der Wiedereröffnung der Wiener Hotels im Frühsommer habe sich die Buchungslage kontinuierlich verbessert. Zwar seien noch immer erst rund 60 Prozent der Betriebe geöffnet und die Auslastungszahlen der offenen Häuser liegen nur bei 28 Prozent, doch zeichnete sich für die kommenden Monate eine Verbesserung ab.
Er appelliert nun an die deutschen Behörden, diesen Schritt nochmals zu überdenken und verweist auf Präventionsmaßnahmen in den Beherbergungsbetrieben. Mit dem "safe stay Gütesiegel" wurden einheitliche Abläufe zur Prävention umgesetzt, um Gäste und Mitarbeiter bestmöglich zu schützen. "Die Hotelbetriebe sind sich der Verantwortung für Gäste und Personal bewusst," meint Schmid.
Hoffnung gilt eigenem Sicherheits-Siegel
Die Fachgruppe Hotellerie der Wirtschaftskammer Wien hat ein eigenes Sicherheits-Siegel für ihre Mitgliedsbetriebe entwickelt. Mit gezielten Maßnahmen in sechs Bereichen werde das Gesundheits-Sicherheitslevel in den Wiener Beherbergungsbetrieben auf ein neues Level gehoben. Beginnend mit Fiebermessungen für Mitarbeiter bei Dienstbeginn, einem eigenen Covid-19-Beauftragten, zusätzlichen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen, der Digitalisierung von Aushängen und Menükarten und weiteren Maßnahmen werde der Schutz für Gäste und Mitarbeiter vor einer Ansteckung erhöht.
Nach außen sichtbar werden die Maßnahmen mit dem "Safe Stay"-Sicherheitssiegel, das die Beherbergungsbetriebe im Eingangsbereich anbringen können. Überprüft wird die Einhaltung der Vorgaben des Sicherheitssiegels gemeinsam von Wirtschaftskammer Wien und WienTourismus, Infos gibt es unter www.safestayvienna.at
Unterdessen appelliert die Gewerkschaft vida an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), sich wirklich für Wien einzusetzen, wie er es im Wiener Wahlkampf plakatieren lasse. Der Vorsitzende der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida, Roman Hebenstreit, fordert von Blümel mehr Hilfe für Wiens Wirtschaft und ihre Arbeitnehmer ein.
Wien sei bis zum Corona-Lockdown die Kongressstadt Nummer eins gewesen, weil die Tourismusbetriebe und ihre Belegschaften - auch stellvertretend für die vielen anderen Branchen wie etwa auch die Mobilitätsunternehmen - großartige Leistung vollbracht haben, so Hebenstreit weiter. "Jetzt stehen in Wien und in vielen anderen heimischen Städten zahlreiche Betriebe und Menschen vor einem Scherbenhaufen und müssen um ihre Existenzgrundlagen fürchten, wie etwa die 140 Beschäftigten, die in den Sacher-Hotels gekündigt werden." Blümel solle diese Menschen nicht hängen lassen.